Kopernikus 6
begann sie mit dem Ablassen der Kabinenluft. Sodann öffnete sich die Kabine der Mitte nach, und sie schwebte sanft und fiel noch langsamer auf die Oberfläche Psyches hinab.
Einmal wandte sie sich um, um zuzusehen, wie sich die Kabine verklammerte, und um zu überprüfen, ob die Antriebskammern hinter den Tanks durch die ungewöhnlich lange Reise Schaden gelitten hatten. Sie hatten sich gut gehalten.
Nach einem Flug von zwanzig oder fünfundzwanzig Metern ergriff sie einen Führungsdraht und hangelte sich auf die nächste Glasblase zu. Vor fünf Jahren hatten die milchigen Halbkugeln noch die Familien der Arbeiter beherbergt, die die Sprengladungen angebracht hatten, mit denen Psyches sieben innere Kammern herausgesprengt werden sollten. Von den Vlasseg- und Janacki-Polen auf den engen Enden des riesigen Felsens aus waren Löcher durch den Mittelpunkt gebohrt worden. Nach der Bildung der Kammern hätte man die für die Atmosphäre notwendigen Stoffe durch die Bohrlöcher in Psyche hineingepumpt, während Motoren die natürliche Umdrehung zur Schaffung einer künstlichen Schwerkraft innen beschleunigt hätten.
In zwanzig Jahren wäre Psyche grün und schön gewesen, voll von Hoffnung – und Passagieren. Aber jetzt regierte die Unwissenheit, die Furcht war König und Propaganda Trumpf.
Die Schleusen der Kontrollblasen waren von den letzten Männern der Untersuchungskommission verschlossen worden. Da Psyche nicht gerade leicht zu erreichen war, selbst nicht in seiner Mondumlaufbahn, hatte man die Dichtungen nicht sehr gründlich angebracht. Sie benötigte jedoch für den Einbruch eine Stunde. Die Glaskugel ragte hoch über ihr auf, mehr als dreißig Meter im Durchmesser, durchsichtige Wände, durchzogen von den Schatten von Räumen und Installationen. Psyche drehte sich einmal in drei Stunden um die eigene Achse, und Licht von der Sonne strömte durch die oberste Blase in die nächste Blase. Das Mondlicht erhellte die Schatten. Sie schob die Betontrümmer zur Seite und sah ihnen zu, wie sie träge dem vernarbten Boden entgegenschwebten. Dann überprüfte sie die Luftschleuse, um herauszufinden, ob sie noch immer funktionierte. Sie wollte die Atmosphäre in der Blase lassen, sie auf psychotropische Stoffe hin überprüfen. Keinesfalls aber würde sie den Raumanzug ausziehen.
Die Schleusentür ging mit ein paar Rucken auf und schloß sich hinter ihr wieder. Sie wischte von der Sichtscheibe und der Sichtluke der Innenschleuse ein paar Eiskristalle ab. Dann drückte sie auf den Knopf für die innere Tür – es ereignete sich jedoch nichts. Die Außentore waren an einen anderen Stromkreis angeschlossen, der nicht mehr funktionierte – oder, wie sie hoffte, nur ausgeschaltet worden war.
Dem Rucksack entnahm sie eine einen halben Meter lange Brechstange. Der Einbruch kostete sie weitere fünfzehn Minuten. Sie war ihrem Zeitplan nun fünf Minuten voraus.
Auf der anderen Seite des Tales duckten sich die Fusionskraftwerke, die die Geschel-Bevölkerung von Tijuana und Chula Vista mit Energie versorgten, wie hockende Betonberge. Dem Gesetz der Naderiten entsprechend, waren alle nuklearen Einrichtungen von vielfachen Kuppeln und Pyramiden umgeben, ob sie jetzt eine Gefahr darstellten oder nicht. Die Symbolik war doppelter Natur – sie zeigte die Abscheu der herrschenden Naderiten für Energiequellen, die nicht natürlich-kinetisch waren, und setzte die Trennung in Naderiten und Geschels fort. Farmer Kollert, der Berater des Nordamerikanischen Hexamons und Ökumentalist für das Kalifornische Körperschaftspult, beobachtete, wie die Sonne hinter dem falschen
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