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Kopernikus 9

Kopernikus 9

Titel: Kopernikus 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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(Routinekram, nichts weiter. Nur, daß nach allem, was wir wußten, Flamel eigentlich seit rund 600 Jahren tot sein mußte. Kein Wunder, daß sie uns das Narrenamt nannten.)
    Aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls hatte ich es nach einer halben Stunde satt, in der Flughafenbar herumzuhängen, mietete einen Wagen und fuhr zur Ranch. Johnson hatte gerade Mittagspause, als ich ankam. Er saß da in seiner feldgrauen Majorsuniform, vor sich einen halbleeren Bierkrug und eine gewaltige Portion Sauerkraut mit Knödeln, und blätterte in einem schmalen, abgegriffenen Bändchen. Ich konnte den Titel nicht entziffern, aber der Verfasser schien jedenfalls ein gewisser Rilke zu sein.
    Als ich eintrat, sprang Johnson hackenknallend auf und begrüßte mich mit vorgerecktem rechtem Arm und einem zackigen „Heil Hitler, Herr Obersturmbannführer!“
    Ich setzte mich auf die Kante des klobigen Eichentischs und fischte eine Zigarette aus der Brusttasche meines Hawaiihemds. „Hi, Johnson. Wie geht’s denn immer so?“
    „Danke verbindlichst, Herr Obersturmbannführer. Wenn ich mir erlauben darf, Herrn Obersturmbannführer zu korrigieren: Mein Name ist Jonas, Major der Reserve Jonas.“ Er knallte wieder die Hacken zusammen. Ich kam mir langsam vor wie in einem dieser alten Stroheim-Filme.
    „Schon gut, vergessen Sie’s. Und nennen Sie mich nicht Obersturmbannführer. Sehe ich vielleicht aus wie ein Obersturmbannführer? Ich finde das überhaupt nicht witzig.“
    Der dicke Mann sah mich einen Moment lang vollkommen verständnislos an. Dann zuckte er kaum merklich die Achseln und schnarrte: „Zu Befehl, Herr Obersturmbannführer!“
    Es war ihm einfach nicht beizukommen. Ich hatte den Verdacht, daß ihm dieser ganze Nazikram im tiefsten Innern entgegenkam. Aber das war wohl sein Problem.
    Unseres war, ihn bis zum Jahresende nach Deutschland hineinzuschmuggeln. Irgend jemand in der Planungsabteilung hatte sich eine unglaublich komplizierte Reiseroute ausgedacht, die Johnson praktisch rund um die Welt führen würde, bis er sich am Ende sozusagen durch die Hintertür ins Reich schleichen sollte.
    Ich habe den tieferen Sinn dieser Methode nie begriffen. Möglicherweise handelte es sich um eine besonders raffinierte Art, Johnsons Spuren zu verwischen; möglicherweise waren die Außenagenten, die ihn auf dem größten Teil seiner Reise unter die Fittiche nehmen sollten, ganz einfach darauf aus, Spesen zu schinden. Beides vermutlich; auf jeden Fall waren die Details dieses Plans so geheim, daß praktisch die linke Hand nicht mehr wußte, was die rechte tat, und als das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen war, wollte sich sowieso niemand mehr dazu äußern.
    In Deutschland sollte sich der dicke Mann in aller Ruhe ein paar Wochen einleben, wie auch immer man sich das vorzustellen hatte.
    Mitte Februar – wenn der Unglückstrend seinen Höhepunkt erreichte – würde er sich dann unter irgendeinem aberwitzigen Vorwand in eine Sitzung der obersten Heeresleitung einschleichen. Ich glaube, er sollte sich als Kurier mit wichtigen Nachrichten von der Front ausgeben: ein Unglücksbote im wahrsten Sinn des Wortes. Er sollte versuchen, wenn irgend möglich, bis zu Hitler selbst vorzudringen, immer in der Hoffnung, daß das Unglück, das er herabbeschwor, den Führer mit betreffen würde.
    So einfach war das alles.
     
Fünf
     
    Warum zum Teufel ging denn niemand ans Telefon? Ich wälzte mich mit geschlossenen Augen auf den Rücken und hoffte, das Klingeln würde endlich aufhören.
    Am Nachmittag zuvor hatte ich Johnson zum Flugzeug gebracht, dem Clipper, in dem er die erste Etappe seiner Weltreise zurücklegen sollte. Ich sah ihm nach, als er über die schwimmende Gangway seinen zukünftigen Heldentaten entgegenmarschierte: ein mittelgroßer Mann Anfang Vierzig, der in den letzten Monaten viel von seiner früheren Schlaffheit verloren hatte. Er wirkte militärisch bis in die Knochen, trotz des zerknitterten weißen Leinenanzugs, den er noch immer trug. Eine hübsche kleine Stewardeß erwartete ihn an der Passagierluke, und halb erwartete ich, daß der Major der Reserve Jonas ihr Lächeln mit Hackenknallen und Hitlergruß erwidern würde; dankenswerterweise besann er sich auf seine Casinomanieren und beließ es bei einem steifen Handkuß.
    Johnson war der letzte Passagier, und der Clipper hatte auf ihn gewartet. Sobald er an Bord war, wurde das träge Tuckern der riesigen Sternmotoren zu einem ohrenbetäubenden Dröhnen, und nur

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