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Kopernikus 9

Kopernikus 9

Titel: Kopernikus 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Mund gelegten Händen. „Sie darf den Kopf nicht einsinken lassen!“
    Nassam trat einen Schritt nach vorne, dann blieb er stehen. Er mußte das Tier nur festhalten, dann würde er nicht nur das Geheimnis des Sumpfes heimbringen, sondern auch die größte Schlammbestie, die jemals gefangen worden war. Die anderen würden dann mit neuer Ehrfurcht zu ihm aufblicken und ihm folgen.
    Und warum sollte er es eigentlich nicht mit zurückbringen? Das Tier starb sowieso. Da war es schon besser, man ließ achtzig Styelenier sich davon ernähren, statt es im Sumpf verwesen zu lassen. War es denn seine Schuld, daß das Versprechen gebrochen worden war? War es überhaupt gebrochen worden? Existierte das Versprechen wirklich, obwohl er keine Gelegenheit gehabt hatte, sich mit den anderen zu beraten?
    Und doch fühlte er sich daran gebunden. Der Kopf des Tieres befand sich gänzlich unter Wasser, und auch der restliche Körper versank rasch. Nassam wußte, daß ein Teil seines Selbst mit in die Tiefen des Sumpfes gezogen wurde.
    Er hörte ein schmatzendes Geräusch, ein leichtes Gurgeln im Schlamm, dann war die Schlammbestie verschwunden. Die ersten Sonnenstrahlen fielen durch das Blattwerk, die Baumstämme um die Kuhle herum schienen sich nach innen zu beugen. Nassam sah zu Leeani hinüber, die mit gesenkten Schultern dastand, den Kurzbogen in Händen hielt und hilflos zusehen mußte, wie ihr Jagdpartner das große Tier für immer verschwinden ließ. Nassam bedauerte sie.
    Er würde niemals wieder Schlammbestien jagen, das wußte er jetzt. Und er würde auch versuchen, die anderen davon abzuhalten. Er hoffte, sie würden seinem Beispiel folgen und unter der Schlammoberfläche leben, aber das kümmerte ihn nun nicht mehr. Es war ihm gleichgültig, ob er ihr Führer bleiben würde. Nichts zählte – nur das Leben. Er mußte nicht nur für die Jagd oder das Kinderkriegen leben und auch nicht nur für das Vergnügen oder für Träume. Sondern nur für die Liebe. Das genügte – nur zu leben: für sich, für Chola.
     
    Der Morast, der kühle Morast umfing sie. Ihre Seite tat nicht mehr sehr weh, und auch der Schmerz in ihrem Auge pochte nur noch ganz schwach. Sie bemühte sich, die Ungeborenen aus ihrer Gebärmutter hinauszustoßen. Doch dann erkannte sie die Vergeblichkeit des Bemühens, Junge in die Welt setzen zu wollen, die noch nicht bereit waren, und gab sich ganz ihren Sorgen hin – und ihren Hoffnungen. Sie las den Verstand des Jägers, während sie unter die Oberfläche sank, und sie sah, daß seine Blutgier gewichen war. Vielleicht würde sie die letzte Abgeschlachtete sein. Und doch fürchtete sie das Schlimmste, fürchtete, daß die Erlösung, die die Überlieferung versprach, nicht die Erlösung vom Sumpf war, wie sie immer vermutet hatte, sondern die Erlösung vom Leben selbst. Eines Tages würden vielleicht nur noch die Nachkommen der Jäger die Sümpfe bevölkern. Nachkommen, die der Sumpf infolge der radioaktiven Bestrahlung ihrer Väter langsam verändern würde, wie er es auch mit ihrer Rasse getan hatte. Ihre Gliedmaßen würden verkümmern, sie würden den Sumpf als ihre Heimat betrachten. Sterbend versuchte sie, sich an diesen Glauben zu klammern, versuchte zu hassen. Doch dann strahlte sie ihre Gedankensprache voller Liebe und Abschiedswünsche an ihre Kinder ab. Ihr Körper bäumte sich noch einmal auf. Dann gab sie sich dem Sumpf hin.

 
Kai Riedemann
Zwölf-Stunden-Reise in das verlorene Leben der Monika A.
     
    Als sich die künstlichen Nebel hoben, fiel Licht in den Park. Angenehm warmes Sonnenlicht, das irgendwo über der hellblauen Himmelskuppel erzeugt wurde und den Anbruch eines neuen herrlichen Tages erahnen ließ.
    Überall erwachte jetzt das Leben. Nicht nur hier im Park, sondern auch draußen auf den zahllosen Decks des dicht bevölkerten Sternenschiffes. Eine perfekt durchorganisierte Maschinerie setzte sich in Bewegung, pünktlich einem Tageslauf folgend, der längst seine Bedeutung verloren hatte, weil die Erde Lichtjahre weit entfernt hinter ihnen lag. Aber die Automatik ließ die Sonne aufgehen, und die Menschen erwachten und folgten ihrer Bestimmung. Menschen, braungebrannt von den Stunden auf den UV-Bänken, optimistisch von den Stunden beim Psychologischen Gesundheitsdienst, glücklich über ihre scheinbare Bedeutung im Räderwerk der Perfektion, hoffnungsvoll, weil sich ihre Reise irgendwann dem Ende zuneigen würde und ein neues Leben beginnen konnte.
    Es war ein Morgen wie jeder

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