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Kopernikus 9

Kopernikus 9

Titel: Kopernikus 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Monika,
    du wirst dich vielleicht wundern, auf diesem etwas ungewöhnlichen Weg eine Nachricht zu erhalten. Aber es ist besser, wenn wir uns nicht mehr sehen. Zumindest besser für mich. Weißt du, irgendwie mag ich dich, obwohl ich mir natürlich darüber im klaren bin, daß du über derartige Gefühle nur lachen wirst. Schließlich kommst du aus einer ganz anderen Welt, und für dich ist wahrscheinlich alles nur ein alltägliches Geschäft mit dem Gefühl. Ich meine, du spielst die Rolle, die man von dir erwartet, aber ich fände es toll, wenn wenigstens einige deiner Worte Wahrheit gewesen wären. Es ist so schön, nicht immer von der Gleichgültigkeit der anderen umgeben zu sein, einfach nur die Illusion vermittelt zu bekommen, daß es noch jemanden gibt, der mir zuhören kann und mich vielleicht sogar versteht. Aber da ich weiß, daß es eben nicht mehr als eine Illusion ist, schicke ich dir diesen Brief, über den du gerne lachen kannst, und wünsche dir alles Gute für die Zukunft. Mögest du sie noch vor dir haben.“
     
    Einen Augenblick lag Monika still da, unfähig sich zu rühren, den Briefbogen in der Hand, ohne wirklich den Sinn der wenigen Worte verstehen zu können. Dieser Brief ließ schlagartig auch die letzten Reste ihres klaren Denkvermögens hinter einer Mauer aus Verwirrtheit und Angst versinken. Sie hätte am liebsten aufgeschrien, einfach nur aufgeschrien, aber selbst das konnte sie nicht. Sie lag nur starr auf ihrer Liege, schwieg.
    Das Erschreckendste für sie war die Tatsache, daß sie nicht die geringste Ahnung hatte, von wem dieser Brief stammen konnte. Von irgend jemandem, der offenbar seine eigenen Probleme hinter einer Maske aus Sicherheit und Überlegenheit verbarg, der bei ihr gewesen war, um für einige Zeit das Leben dort draußen auf den Decks zu vergessen, der ihre Rolle zu sehen geglaubt hatte und nicht den Mut gefunden hatte, hinter dem Lächeln einen Menschen zu erkennen. Wie sie.
    Dabei hatte sie sich oft gefragt, ob wirklich niemand ebenso dachte und fühlte: zweifelnd. Aber sie hatte nie den Mut und die Kraft gefunden, sich jemandem anzuvertrauen. An wen sollte sie sich auch wenden, wenn sie sogar hier nur auf Schweigen und Verständnislosigkeit stieß? Hier zwischen den Mädchen, die doch in genau derselben Situation waren – und es doch nicht wahrhaben wollten oder durften.
    Monika legte den Bogen verwirrt zurück auf den Tisch. Vielleicht hätte man tatsächlich eine Chance gehabt, gemeinsam gegen diese ganze Maschinerie anzugehen? Vielleicht hätte man sich das geben können, was der Psychologische Gesundheitsdienst ihnen zu geben nicht in der Lage gewesen war?
    Vielleicht. Nur eines wußte sie: Es gab für sie kaum eine Möglichkeit, den Absender des Briefes herauszufinden.
    Zitternd stand sie auf und blickte sich um in ihrer engen Kabine. Ausgerechnet jetzt, in ihrer eigenen Unsicherheit und Hilflosigkeit, mußte sie dieser Brief erreichen. Ausgerechnet jetzt. Sissi. Sie mußte versuchen, Sissi zu erreichen. Sie war die einzige, die sie vielleicht verstehen konnte, die vielleicht ähnlich fühlte wie sie, auch wenn sie es nie zugeben würde.
    Also ging sie an ihr Telefon, zögerte noch einen kurzen Augenblick und wählte dann Sissis Nummer.
     
    „Bisher keine Komplikationen. Rücklaufoperation verläuft einwandfrei. Puls und Atmung weiterhin leicht erhöht.“
    Der Mann am Kontrollpult gab seinen Routinebericht, aber niemand war da, um ihn hören zu können. Dr. Jagu nutzte den offenbar planmäßigen Verlauf der Aktion für eine Pause und eine Sichtung der inzwischen eingelaufenen Protokolle. Im Kontrollraum herrschte unwirkliche Stille, nur das leise Summen der Apparaturen und das Ticken der Aufzeichnungsgeräte lagen in der Luft.
    Von der Rücklauf zeit waren sechs Stunden verstrichen.
     
    Sissi saß neben ihrer Freundin auf der fellüberzogenen Liege und las die wenigen Zeilen aufmerksam durch. Schließlich ließ sie den Bogen sinken, blickte Monika nachdenklich an und schüttelte dann den Kopf.
    „Ich weiß nicht, was ich davon halten soll“, sagte sie. „Es ist ein sehr merkwürdiger Brief, verwirrt und verwirrend. Aber du darfst nicht den Fehler machen, ihn in deinem jetzigen Zustand zu ernst zu nehmen.“
    Sie ließ den Printbogen zurück auf die transparente Kunststoff platte des Tisches gleiten. Irgend etwas schien sie zu bedrücken, aber sie hatte offensichtlich nicht den Mut, es auszusprechen.
    „Hast du schon jemandem von dem Brief erzählt?“

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