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Kopernikus 9

Kopernikus 9

Titel: Kopernikus 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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donnernden Geschützrohren, vorbei an abgrundtiefen Bombenkratern, die sich bereits in den Körper der Festung gebohrt haben. Er hat nur noch einen Gedanken: Weg von hier!
    Am Heck der Festung hangelt er sich schweißnaß die Stahlleiter hinunter, läßt sich in den weichen Sandboden fallen, krallt sich fest. Steht wieder auf und sieht das C HAMÄLEON weiter nach vorn stöhnen, getroffen zwar, aber noch immer funktionstüchtig. Er denkt an Fischer und Herbstmann.
    „Kommt doch raus“, flüstert er. „Bitte.“
    Sie kommen nicht.
    Statt dessen zischt ein Piranha heran. Welcher Idiot, denkt Lichterfeld, hat die Piranhas reaktiviert?
    Dann gibt es nichts mehr zu denken. Lichterfeld sieht nur noch die böse schimmernden Thermo-Taster an der Unterseite des schmalen, über ihm schwebenden Piranha und die Feuerlanze, die auf ihn zustößt und ihn verbrennt.
     
    „Welcher Idiot“, sagt Herbstmann, „hat die Piranhas reaktiviert?“
    Unnatürlich ruhig sieht er Fischer an.
    „Ich nicht!“
    Sie denken beide dasselbe: Sticher!
    Herbstmann fühlt eine kalte Wut in sich. Er ist so leer und ausgelaugt, daß er noch nicht erfassen kann, was geschehen ist. Da ist nur kalte Wut in ihm, die sich gegen Sticher richtet, diese fette Spinne, die oben in der Leitzentrale sitzt und ihre Fäden spinnt. Und der Lichterfeld auf dem Gewissen hat.
    Herbstmann sieht Fischer an. Fischer sieht Herbstmann an. Wieder denken beide dasselbe. Sie stehen auf und klettern die Leiter zur Leitzentrale hoch, werfen die Luke auf und poltern in die Leitzentrale.
    Sticher erwartet sie mit gezogenem Laser. Steht da wie immer, fett und breitbeinig, tadellos sitzende Uniform.
    „An die Wand! Hände über den Kopf!“
    Fischer und Herbstmann führen den Befehl widerwillig aus. Der Kommandant steht mächtig in der Mitte seines zylinderförmigen Reiches und lächelt sarkastisch, als wolle er sagen: Ich lasse mir das Kommando auf meiner Festung nicht nehmen!
    Tatsächlich wie eine Spinne im Netz, denkt Herbstmann.
    „Warum haben Sie das getan?“ stößt Fischer hervor.
    „Lichterfeld? Er war ein Deserteur. Darauf steht Todesstrafe.“
    „Wir müssen ihre Grenze überquert haben“, sagt Fischer. „Wegen eines banalen Übertragungsfehlers, durch den der Kurs falsch angegeben wurde? Haben Sie daran herummanipuliert? Ist es ein Befehl der Regierung?“
    Da sieht Herbstmann es. Auf der Instrumententafel. Die grünen Ziffern auf der Instrumententafel.
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    Der Countdown läuft.
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    Der Countdown für die eine der atomaren Mittelstreckenraketen, die an der Seitenfläche des C HAMÄLEON verankert ist.
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    Auch Fischer sieht es.
    Die Sicherheitsblockade?
    „Die Sicherheitsblockade ist außer Kraft gesetzt“, sagt Sticher.
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    Fischer reagiert, er greift zu seinem Laser. Sticher schießt, Fischer geht zu Boden. Herbstmann hat den Laser schon in der Hand, drückt ab. Stichers zweiter Schuß frißt sich in die Decke, bevor er zusammenbricht.
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    Herbstmann hechtet noch zum Steuerpult.
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    Zu spät. Zu spät.
     
    Der Feuerstrahl der Rakete brennt ein schwarzes, rundes Loch in den Waldboden, dann erhebt sie sich langsam, steigt auf, steil in den Himmel, bis sie schließlich nur noch als kleiner Punkt auszumachen ist.
    … irgendwo werden die Sprengköpfe niedergehen. Herbstmann weiß nicht genau, wo, aber die Wirkung der Sprengköpfe kann er sich ungefähr vorstellen:
    7000 Grad Celsius im Einschlagszentrum. Steine und Eisen zerschmelzen. Von Menschen bleibt nur ein Schatten auf Beton.
    Und außerhalb des aufsteigenden Feuerballs?
    Die unvorstellbare Hitzeentwicklung wird Unterdruck und Sog erzeugen, tagelang wird ein Feuersturm toben. Menschen platzt das Trommelfell, ihre verbrannte Haut wird ihnen vom Körper gerissen. In den Bunkern werden sie ersticken, denn das Feuer frißt den Sauerstoff.
    Und die Radioaktivität, wie wird sie auf die Noch-nicht-Toten wirken? Die Radioaktivität, die mit dem Staub und durch den Wind als Fall-out auch in entfernte Gegenden gelangt?
    Innere und äußere Blutungen. Gestörtes Zellwachstum. Geschwüre. Fehlgeburten. Erbschäden. Hautkrebs, der in wenigen Monaten zum Tode führt.
    Herbstmanns Vorstellungskraft über die Wirkung der auf den Weg geschickten Rakete reicht nicht aus, ein präzises Bild zu entwerfen. Sein Gehirn weigert sich weiterzudenken.
    Vor allem ist unausweichlich, daß die andere Seite zurückschießen wird. Aber wer weiß, eventuell hat sie ja auch als erste angegriffen?

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