Kopf frei
Volksweisheiten und Sprichwörter, die mitunter Gedankengänge erhellen oder vertiefen. Auf solche verbalen Weisheitsbündelchen wollen wir im Interesse gelingender Kommunikation
natürlich nicht verzichten, weshalb sie die Ausnahmen darstellen.
Ein Trainingshinweis : Vergegenwärtigen wir uns, wie es sich anfühlt, durch Sprüche in die Enge getrieben zu werden und unverstanden auf der Strecke zu bleiben; beziehungsweise erspüren wir, welche Motive uns zur Sprücheklopperei treiben. Der Kontakt zu sich ist zum einen da, wenn uns diese Motive bewusst werden, und zum anderen, wenn wir wagen, über sie zu sprechen. So haben wir sogar die Chance, uns von der ursprünglichen Auslösesituation zu befreien. Das ist viel bekömmlicher, als sich von ihr dazu treiben zu lassen, andere verbal zu plätten.
Boris
Boris litt als Kind unter der rhetorischen Überlegenheit seiner älteren Schwester. Er fühlte sich ständig angegriffen und hat sich später eine ganze Abwehrpalette von Sprüchen zugelegt. Bei jeder Gelegenheit zückt er einen Spruch aus seinem Köcher und schießt ihn in unbewussten Rachemanövern, die eigentlich seiner Schwester gelten, auf seine unschuldigen Opfer ab. Wenn Boris nun diesem Verhalten mit Wachheit begegnet, es sogar kommuniziert, kann er erstens erkennen, dass seine gegenwärtigen Gesprächspartner ihm in der Regel, und von seiner Schwester abweichend, wohlgesonnen sind. Zweitens setzt er die aggressive Gesprächsstimmung seiner Kindheit nicht fort, womit er drittens einen Wiederholungszwang beendet, anstatt ihn zu verlängern. Dadurch erspart er sich den Frust zwieträchtiger, vergangenheitsgeschwängerter Gespräche.
Hugo als Phrasendrescher
LOTTI:
Hugo, bist du ein Sprücheklopfer?
HUGO:
Ich habe mehr eigene Dauerphrasen. Keine gescheiten Zitate.
LOTTI:
Sag mal ein paar Beispiele.
HUGO:
Ist mir peinlich.
LOTTI:
Du bist in Kontakt mit dir! Und bringst deine Befindlichkeit zum Ausdruck. Das verbindet. Ich verstehe und fände es trotzdem klasse, wenn du dich mit drei Highlights, oder sollte ich »Lowlights« sagen, outen würdest.
HUGO:
Also gut. Wenn mir irgendjemand zu langsam war, sagte ich: »Wer mit den Schnecken rennt, lebt auch nicht länger.« Oder wenn mir das Essen nicht schmeckte: »Ich sollte bei deinen Kochkünsten überlegen, auf Lichtnahrung umzusteigen.« Harmloser war mein Spruch, wenn ich müde war: »Ich geh mal hören, was das Kissen sagt.« Vielleicht klingt das ganz lustig, aber ich hab’s regelmäßig gesagt.
LOTTI:
Du bist wirklich eine Fundgrube. Das schreit nach einer kleinen Zugabe.
HUGO:
Gut, weil du es bist. Ich hatte eine unverrückbare fixe Grußfloskel drauf. War mir selbst nicht bewusst, bis mich Verena drauf aufmerksam machte.
LOTTI:
Und die lautete?
HUGO:
Hallöchen, grüß dich!
LOTTI:
Eigentlich ganz nett, aber unverrückbar immer dieselbe Floskel kann zu viel sein.
??? FRAGEN UND ANTWORTEN
Kann ein Spruch nicht zum Ausdruck bringen, dass ich über einer Sache stehe?
Drüberstehen und nichts damit zu tun haben wollen, ist wahrlich zweierlei. Denn im Sprüchekloppen wiegle ich das Thema ab, aber lasse mich nicht ein. Sich nicht einzulassen heißt aber nicht, über einer Sache zu stehen.
Manchmal lasse ich einen Spruch los, weil ich mich unbeholfen fühle, das heißt nichts Besseres zu sagen weiß. Wenn ich Sie richtig verstehe, sollte ich an der Stelle besser den Mund halten?
Sie könnten überlegen, was Sie an dem Spruch reizt. Wollen Sie einen Witz machen, geistreich sein, sich darstellen? Finden Sie, dass der Spruch wie ein Weisheitsbündel der Gipfel alles Sprechbaren ist? Das könnten Sie sich selber beantworten. Der Spruch wäre kommunikationsbereichernd, wenn Sie die letzte Frage mit Ja beantworteten. Und wenn nicht, dann wäre er nur eine Notlösung, weil Ihnen nichts anderes in den Sinn kommt.
Bis ich das rausgefunden habe, vergehen fünf Minuten.
Macht nichts! In fruchtbaren Gesprächen sind Denkpausen ein Gütesiegel und kein Makel.
Wie mache ich weiter, wenn ich rausgefunden habe, welche konkrete Motivation bei mir hinter einer Aussage (einem Spruch) steckt?
Dann fragen Sie sich als Nächstes: Warum ist mir das so wichtig? Dann kommen Sie vielleicht drauf, dass Sie nur über Wissen in der Geschwisterreihe gute Karten hatten. Und dann sind Sie im Grunde vor der Haustür Ihrer eigenen Seele und können sich fragen: Muss ich diesen Bewährungskampf, den ich damals begonnen habe, wirklich weiterführen oder gäbe es da eine
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