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Kopf frei

Kopf frei

Titel: Kopf frei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ute Lauterbach
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Schokolade gegeben hat. Wenn sie sich nicht genau auf ihre Befindlichkeit besinnt, rotiert sie in emotionaler Aufruhr über Theo und sagt: »Also du machst mich echt bekloppt, Theo. Ich hab dir mindestens schon tausendmal gesagt, dass unser Wuffti keine Schokolade essen soll. Guck dir doch an, wie fett er schon ist. Schnallst du das eigentlich nicht?« Mit diesen Worten ist sie nicht wirklich in Kontakt mit ihrem tiefen Empfinden und auch nicht in Kontakt mit Theo.
    Und wenn sie in sich hineinspürt? Wenn sie genau fühlt, was sich hinter oder unter ihrer Aufregung verbirgt, was also ihr primäres Gefühl im Gegensatz zu ihrer sekundären Emotionalität ist, was bemerkt und sagt sie dann? Sie bemerkt ihre Ohnmacht, ihr Gefühl, von Theo nicht wahrgenommen zu werden, ihre flache Atmung, ihre Sorge um den Hund und ihre eigenen fünf Kilo, die sie zu viel wiegt. Sie spürt eher eine Art Traurigkeit und keine sie emotional fortreißende Aufgebrachtheit. Wenn sie diese Befindlichkeit ganz echt – also ohne in Vorwürfe abzudriften – mitteilt, stellt Simone Kontakt zu Theo her und leitet für sich selbst einen heilsamen Prozess ein. Oder andersherum: Wenn wir wirkliche Anteilnahme, authentische Nähe oder Gegenwart vermeiden wollen, dann sprechen wir am besten niemals über unsere gegenwärtige Befindlichkeit.
    Marion und Sascha
    Marion will sich erleichtern, indem sie erzählt, was gerade passiert ist und ihre Befindlichkeit ausmacht. Sie ist ganz aufgelöst, weil ihr die Handtasche mit Papieren, Scheckkarten und ähnlichen Heiligtümern gestohlen wurde. Sie wendet sich an ihren Freund Sascha.
    MARION:
Ich spürte nur einen Ruck am Arm, und das war’s: Tasche weg! Einfach schrecklich! Das ganze Theater, das ich jetzt habe. Bis die Karten gesperrt waren, sind mindestens zwei Stunden vergangen. Ich bin ganz unglücklich, habe einen Kloß im Hals und gleichzeitig eine irrsinnige Wut, und ohnmächtig fühle ich mich obendrein.

    Um Kontakt und Anteilnahme zu verhindern, müsste Marions Freund bei diesem Befindlichkeitsbericht schon einiges an Empfindungslosigkeit und Gleichgültigkeit mobilisieren. Sascha schießt so an Marion vorbei:
    SASCHA:
Ach Handtasche, das ist doch nix. Mir haben sie vor ein paar Jahren das Auto geklaut, und da waren außerdem noch meine Papiere und andere Wertsachen drin. Stell dich doch nicht so an!
    Kommentar: Es lassen sich immer irgendwelche Details in der eigenen Biografie finden, mit denen die Situation des anderen überboten oder zumindest von ihr abgelenkt werden kann. Sascha ist ein krasser Egozentriker. Die viel näherliegende Reaktion auf spürbar geäußerte Befindlichkeit ist Mitgefühl. Je unmittelbarer und authentischer die eigene Seelenlage, also die primären Gefühle gezeigt werden, umso stärker in der Regel die Anteilnahme.
    Trainingshinweis: Wut, Ärger und Eifersucht sind sekundäre Aufruhr- und Überschwappungszustände. Ihnen sind primäre Gefühle vorgelagert. Je schärfer die Wahrnehmung für diesen Unterschied, umso klarer lässt sich die Befindlichkeit fassen. Und umso effektiver (weil besonnener) ist die Umsetzung von Befreiungsschritten. Der emotionale Dramamüll fördert nicht die Verbundenheit. Das erleben wir jedes Mal, wenn wir von uns selbst dramatisch wegdriften und in Zuständen landen, in denen wir uns selber nicht wiedererkennen. Wer sich von einem solchen Dramakrampf völlig gepackt fühlt und nun in dieser Situation seine Befindlichkeit äußern will, trainiert am besten, indem er genau beschreibt, wie sich der innere Terror anfühlt. Also nicht in den Terror reingehen, nicht ihn selbst zum Sprechen bringen, sondern darüber sprechen. Dadurch gelingt es, eine Brücke zu sich selbst und zum anderen zu bauen.
    So wie es primäre und sekundäre Gefühle gibt, so gibt es genauso primäre und sekundäre Worte. Die primären Worte sind ganz dicht
am ursprünglichen, primären Gefühl. Sie offenbaren die eigene, tiefste Innenseite. Dadurch wird beim Gegenüber Verständnis ausgelöst. Sekundäre Worte hingegen kommen aus der eigenen Verletztheit und sind deshalb darauf aus, den anderen ebenfalls zu verletzen. Blöd, weil der arme andere meist nicht für die ursprüngliche Verletzung verantwortlich ist.
    Wer hauptsächlich verletzend spricht – sei es nörgelnd, schnaubend, spitz, absichtlich missverstehend, gehässig, überheblich und was es sonst an Kontaktkillern gibt –, mag es anstrengend und frustrierend finden, sich auf die primären Hintergründe seiner

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