Kopf Geld Jagd: Wie ich in Venezuela niedergeschossen wurde, während ich versuchte, Borussia Dortmund zu retten. (German Edition)
Zahlen getrimmt bin, und nach den vielen Gesprächen, die wir im Verlauf der Zeit geführt hatten, wusste ich irgendwann, dass die Zahlen nicht mehr zusammenpassten. Ich bat ihn um Rechenschaftsberichte, Zusammenfassungen, Details über die Investitionen etc., bekam aber nichts davon je zu Gesicht. Diego sagte wörtlich: »Vertrau mir.« Wenn Sie jemals diese Worte hören, springen Sie vom nächstgelegenen Häuserdach.
Am Ende kam die Beichte. Er hatte gegen meine ausdrücklichen Anweisungen verstoßen. Anstatt ultrakonservative, erstklassige Geldanlagen wie Gold und Schweizer Franken zu kaufen beziehungsweise zu halten, hatte er 80 Prozent meiner Gelder in wertlose Solawechsel und Madoff investiert. Madoff! Ironie kann manchmal brutal rachsüchtig sein. War das eine Art ausgleichende Gerechtigkeit?
Irgendwie hatte Diego es geschafft, das Gold, das ich gekauft hatte, mit Verlust zu verkaufen. Sein Unternehmen hatte eine läppische Summe an Kickback-Zahlungen und Provisionen verdient, aber er glaubte, er tue das Richtige und wisse mehr über Märkte und den richtigen Zeitpunkt als ich. Er hatte es von sehr bescheidenen Anfängen zu einem anständigen Reichtum gebracht. Doch an irgendeinem Punkt auf diesem Weg war ihm die Orientierung abhandengekommen. Er trennte sich von seiner Schweizer Frau und heiratete eine wesentlich jüngere Importware aus Osteuropa. Außerdem verkehrte er mit verschiedenen Magnaten und glaubte, er gehöre deswegen zum Klub. War aber nicht so. Er war lediglich eine Figur aus einer riesigen Dienstleisterarmee aus Treuhändern, Private-Banking-Spezialisten und Family-Office-Verwaltern, die für Dritte große Vermögen betreuen und dabei allzu leicht die Orientierung verlieren, sei es aus Inkompetenz oder weil sie bei dem geringsten Erfolg das Opfer ihrer eigenen Raffgier und Selbstüberschätzung werden.
Das Traurigste daran war, dass ein tiefgründiges Gespräch mit Giorgios Freunden ergab, dass Diego zumindest teilweise die Wahrheit sagte. Er hatte auch das Vermögen vieler anderer seiner Kunden verpulvert. Sein Unternehmen stand am Rande der Insolvenz, er war von seiner Familie entfremdet und hatte bereits mehrere Monate in unfreiwilliger Beschränkung seiner persönlichen Bewegungsfreiheit verbracht. Er war in einen chaotischen Steuerstreit verwickelt und benutzte für mehrere seiner Kunden, einschließlich meiner Person, verschiedene Decknamen. Meine rechtlichen Möglichkeiten schienen äußerst begrenzt, wenn man bedenkt, dass Prozesse nur dann Sinn machen, wenn viel Geld da ist, mit dem der Kläger entschädigt werden kann. Wir legten unsere Differenzen bei und ich musste 30 Millionen Dollar in den Wind schreiben – das waren 70 Prozent meines Vermögens.
Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, waren die Konten einige seiner Kunden aus dem früheren Sowjetblock eingefroren worden, weil sie Decknamen und falsche Pässe verwendeten. Und als die Behörden im Laufe der Ermittlungen meine Konten und meine Identität entdeckten, begann eine wahre Hexenjagd. Als ich gefragt wurde, warum ich meine Konten unter falschem Namen führte, antwortete ich ganz nachvollziehbar, ich hätte es vorgezogen, dass meine Frau nichts von dem Geld erführe, da die Liebe zwischen uns nicht mehr so groß sei wie zuvor.
Ein weiterer Grund, warum ich mein Geld so sorgsam versteckte, war, dass ich sehr gut wusste, wie lästig und bösartig der Staatsapparat sein kann. Als ich mit Anfang 20 in Deutschland Profibasketball spielte, stand ich irgendwann auf dem Frankfurter Flughafen und öffnete die Tür meines VWs und muss dabei ganz leicht an das benachbarte Auto gestoßen sein. Ich hatte es nicht einmal bemerkt und die Reparatur des Kratzers hätte höchstens 30 D-Mark gekostet. In Deutschland wimmelte es nur so von Polizisten, und einer von ihnen montierte mein Nummernschild ab und brachte es zur Polizei. Irgendein Staatsanwalt befand, ich hätte mich »unerlaubterweise vom Tatort entfernt«, was dazu führte, dass ich auf eine Interpol-Liste gesetzt und viel später, als ich die Grenze nach Österreich überquerte, verhaftet wurde. Zehn Jahre nach dem Vorfall kam es in Berlin zu einer großen Verhandlung, in der sich natürlich niemand mehr an irgendetwas erinnern konnte.
Dennoch bleiben einem solche Vorkommnisse im Gedächtnis haften. Das heißt, ich bin schon immer umso glücklicher gewesen, je besser das Versteck ist und je weiter ich mich vom kafkaesken Staatsapparat entfernen kann, vor allem, wenn das
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