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Kopf in der Schlinge

Kopf in der Schlinge

Titel: Kopf in der Schlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Bullen aus dem Weg gehen.«
    Ich spürte einen Anflug von Angst wie einen Eiszapfen, der mir den Brustkorb durchbohrt. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Tom war ja wohl auch Polizist. Sie sind stocksauer.«
    Alice ließ die brennende Zigarette in die Toilette fallen, wo sie zischend erlosch, und spülte die Kippe hinunter. Dann wedelte sie mit der Hand durch die Luft, als könnte sie so den Rauch vertreiben. »Möchten Sie sonst noch etwas?«
    Ich schüttelte bloß den Kopf, da ich mir nicht sicher war, ob meine Stimme mich nicht im Stich lassen würde.

    Ich wartete am Seitenausgang, die Hände in den Taschen vergraben, obwohl die Kälte, die ich empfand, von innen kam. Ich beschäftigte mich in Gedanken mit anderen Dingen, um gegen meine wachsende Unruhe anzukämpfen. Vielleicht gab sich Macon ja deswegen auf einmal so beschützerhaft.
    Der nächtliche Himmel war bedeckt, und dort, wo die Luft kristallklar hätte sein sollen, begann sich Bodennebel über den dunklen Parkplatz auszubreiten. Zwei Paare gingen zusammen davon. Eine der Frauen war sturzbetrunken und lachte grölend, während sie über den vereisten Asphalt stolperte. Ihr Freund hatte den Arm um ihre Schultern gelegt, und sie stützte sich an ihm ab. Plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen, hielt die Hand in die Höhe wie ein Verkehrspolizist und wandte sich dann ab, um sich zu übergeben. Die andere Frau sprang zurück und kreischte protestierend auf. Die Betrunkene blieb stehen und hielt sich an einem geparkten Auto fest, bis sie fertig war und weitergehen konnte.
    Das Quartett kam an seinem Fahrzeug an und kletterte hinein. Allerdings saß die unpäßliche Frau seitlich da und ließ den Kopf noch fünf Minuten zur Tür hinaushängen, bevor sie endlich abfahren konnten. Ich suchte die menschenleeren Autoreihen ab und spähte in die Finsternis. Die Musik aus der Bar hinter mir war nur noch als dumpfes, monotones Hämmern wahrzunehmen. Ich sah einen Lichtstrahl und ein Auto, das auf den Parkplatz bog. Ich trat in die Dunkelheit zurück, bis ich genau wußte, daß es Macon in seinem Streifenwagen war. Er hielt neben mir an und blieb mit laufendem Motor drinnen sitzen. Ich trat hervor und ging um die Kühlerhaube des Streifenwagens herum zum Fenster auf der Fahrerseite. Er drehte es herunter, während ich näher kam.
    »Wie ist es gelaufen?« fragte er. Ich konnte die Geräusche aus seinem Funkgerät hören: die Zentrale im Gespräch mit einem anderen Teilnehmer. Er drehte den Ton leiser.
    Ich legte eine Hand an die Tür. »Alice hat mir erzählt, daß das Gerücht umgehe, ich sei eine Art schießwütige Revolverheldin im Drogenwahn.«
    Er sah zur Seite, rutschte nervös hin und her und klopfte mit seiner behandschuhten Hand aufs Lenkrad. »Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf über Tratschereien. In dieser Stadt reden alle.«
    »Dann haben Sie es also auch gehört?«
    »Auf solches Zeug gibt doch kein Mensch etwas.«
    »Stimmt nicht. Irgend jemand hat sich die Mühe gemacht, meine Vergangenheit auszukundschaften.«
    »Und hat was gefunden? Das ist doch alles Schwachsinn. Ich glaube kein Wort davon.« Was bedeutete, daß er die gleichen Geschichten gehört hatte, die auch alle anderen vorgesetzt bekommen hatten. »Ich begleite Sie jetzt lieber nach Hause. Ich habe einen Funkspruch bekommen, dem ich nachgehen muß.«
    Ich stieg in mein Auto, und er folgte mir bis zu Selmas Einfahrt und blieb mit laufendem Motor stehen, während ich den Rasen vor dem Haus überquerte.
    Selma hatte das Licht auf der Veranda brennen lassen, und mein Schlüssel ließ sich leicht im Schloß drehen. Ich winkte Macon von der Tür aus zu, woraufhin er davonfuhr. Ich schlüpfte aus meinen nassen Schuhen und trug sie den Flur hinunter zum Gästezimmer. Im Haus herrschte Stille. Ich hörte nicht einmal das Murmeln eines Fernsehers, das darauf hingedeutet hätte, daß Selma wach war.
    Ich betrat das Gästezimmer und schloß hinter mir die Tür. Selma hatte eine Nachttischlampe eingeschaltet, so daß der ganze Raum in heiteres Rosa getaucht war. Auf den Nachttisch hatte sie mir einen Teller selbstgebackener Schokoladenplätzchen gestellt, abgedeckt mit Plastikfolie. Ich aß zwei davon und genoß den Geschmack von Butter und Vanille. Dann aß ich aus Höflichkeit noch zwei, bevor ich meine Jacke auszog. Offenbar hatte Selma nicht die Angewohnheit, nachts die Heizung herunterzudrehen, und im Zimmer hing eine erstickende Hitze. Ich ging zum Fenster hinüber, zog die Vorhänge beiseite und

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