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Kopf Unter Wasser

Kopf Unter Wasser

Titel: Kopf Unter Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Kubiczek
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der Bildschirm schwarz, und Henry ging nach unten und setzte sich vor den Fernseher.
    Gegen halb elf kam die Haushälterin vorbei, mit der Henry manchmal ein kleines Schwätzchen hielt, bevor er den Mantel anzog und spazieren ging, den Uferweg entlang bis zum Fähranleger, weiter zum Jachthafen, wo die Segelboote gut verpackt auf den Sommer warteten.
    Abends nach dem gemeinsamen Essen, das stets Birtes Mutter kochte, setzte sich Birtes Vater in jenen Teil des Erdgeschosses, wo sich neben einem offenen Kamin, einem riesigen Fernseher, einer Musikanlage und Regalen mit Schallplatten und CDs eine Sitzecke aus nachgemachten Le-Corbusier-Möbeln befand, von denen Birtes Vater behauptete, sie seien echt. Er stellte sein Rotweinglas auf einem von vier nachgemachten Eileen-Gray-Tischen ab und saß dann einfach da und starrte vor sich hin. Manchmal blätterte er in einem politischen Wochenmagazin, manchmal ging er nach draußen, um ein paar Züge von einem Zigarillo zu rauchen. Oder er stand am Kamin und stocherte mit dem Schürhaken in der Glut oder legte frische Scheite nach. Manchmal setzte sich Birte dazu und schaltete den Fernseher ein, manchmal unterhielt sie sich mit ihrem Vater.
    Henry drückte sich, so lange wie möglich, bei Birtes Mutter in der Küche herum. Er ging ihr ein wenig zur Hand, sie plauderten miteinander. Aber irgendwann sagte sie dann doch: »Kommen Sie, Henry, und nehmen Sie Ihr Glas bitte mit. Wir setzen uns rüber zur Familie, da ist es gemütlicher.«
    Henry schien es, als wolle sich Birtes Vater ständig mit ihm messen. Das begann beim Scrabble, das Birte eines unglückseligen Abends aus dem Keller geholt hatte, um das drückende Schweigen zu brechen, das aus dem Nichts die Sitzecke erfasst hatte. Das setzte sich fort, ging es um politisches Wissen oder Weinkennerschaft oder um die absurde Frage, ob Zigarillos stärker seien als Zigaretten. Henry war das egal, Birtes Vater anscheinend nicht.
    Auf der anderen Seite behandelte er Henry wie einen Unmündigen, fragte, wann immer sich die Gelegenheit ergab und weder Birte noch ihre Mutter in Hörweite waren, nach seiner beruflichen Situation im Allgemeinen und den Finanzen im Speziellen. Birtes Mutter schien, anders als ihre Tochter, die leichte Spannung zwischen ihnen wahrzunehmen. Sie versuchte, unauffällig zu vermitteln, sagte etwa: »Irgendwann musst du auch mal Henrys Buch lesen, Richard. Das ist ganz ausgezeichnet.«
    Â»Ich lese nur Fachbücher«, sagte Birtes Vater dann schroff. »Ich kann es mir nicht leisten, mich mit Romanen zu beschäftigen. Das überlasse ich lieber meiner Frau.«
    Â»Das ist kein Roman«, sagte Henry, »eher ein Essay.«
    Â»Dafür habe ich noch weniger Zeit, das bin ich schon meinen Patienten schuldig. Bei mir geht es nicht um Trallala und Firlefanz, sondern um Leben und Tod.«
    Â»Jetzt übertreibst du aber, Richard«, sagte Birtes Mutter.
    Â»Mag sein.«
    Â»Du könntest ja mit ein paar von Henrys Kolumnen beginnen, Papa, wenn du was von ihm lesen willst. Die aus der Zeitung, von denen ich dir erzählt hab.«
    Â»Das fehlte noch«, sagte Birtes Vater, »ausgerechnet in diesem reaktionären Schmierblatt, das ich schon als Student gehasst habe.«
    Â»Mensch, Papa!«, sagte Birte.
    Â»Wieso? Wie meinen Sie das?«, fragte Henry. » Sie sind gerade der Richtige, mich als reaktionär zu bezeichnen.«
    Â»Ruhig, Kinder, ruhig«, sagte Birtes Mutter dann immer und hielt die Rotweinflasche hoch, um nachzuschenken.
    Als die Besuchswoche vorüber war, machte Henry drei Kreuze.

13.
    Eine Woche nach Bettinas Auszug war es passiert, in einer Nacht, die auf einen warmen Spätsommertag folgte.
    Wenigstens behauptete Birte das. Henry dagegen hatte keine Ahnung, wann genau das Kind gezeugt worden war. Er glaubte nicht an Birtes Instinkte, aber um des lieben Friedens willen akzeptierte er den von ihr ausgemachten Termin.
    Sie hatten einen Sonntagsausflug nach Potsdam unternommen, waren durch die Schlösser und Parks spaziert, an Seeufern entlanggelaufen und zum Mittagessen in ein Restaurant des Holländischen Viertels eingekehrt.
    Während der Rückfahrt am späten Nachmittag, sie saßen in der S-Bahn, zog sich der Himmel zu, und als sie am Alexanderplatz ausstiegen und die dreihundert Meter bis zur Straßenbahnhaltestelle liefen, goss es bereits in Strömen. Es war dunkel wie in der Nacht. Nass bis auf

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