Kopfjagd
sich nur stumm und verbissen mit all ihrer Kraft, und sie
würde sich zweifellos auch mit ihrer ganzen Seele bis zum letzten
wehren, bis zum bitteren Ende, während sie keine Hilfe von irgend
jemandem erwartete, nicht einmal von mir. Denn als sich unsere Augen
trafen, sah sie durch mich hindurch, als sei ich gar nicht vorhanden.
Solche Dinge passierten überall
in diesem Land – jeden Tag. Nur machte diese Tatsache das
Geschehen um keinen Deut erträglicher. Es ging mich zwar nichts
an, gut – trotzdem zog ich meine Enfield und schoß die
Tequilaflasche auf dem Tisch in Stücke.
Die Wirkung war beträchtlich.
Selten habe ich eine Gruppe Männer so schnell
auseinanderstürmen sehen. Delgado war der einzige, der sich nicht
einmal bewegte. Er sah mich träge an, immer noch das Mädchen
im Griff, mit tückischen Augen, wachsam und ohne die kleinste Spur
von Furcht.
»Langsam, Señor, langsam«, sagte er. »Sie kommen ja auch noch dran.«
»Die nächste bleibt Ihnen
im Schädel stecken«, drohte ich. »Und jetzt los, an
die Bar, alle, und zwar mit erhobenen Händen!«
Sie kamen der Aufforderung zögerlich nach,
finster, langsam rückwärts gehend, auf ihre Chance wartend.
Die Reaktion des Mädchens war bemerkenswert. Sie kam ganz ruhig an
meine Seite und blieb ganz dicht neben mir stehen. Sie klammerte sich
an meine Jacke wie ein kleines Kind, das ein Familienmitglied in der
Menge verloren und nun wiedergefunden hat.
Tacho hatte sich mittlerweile wieder
hochgerappelt und starrte mich sprachlos an, zitternd und benommen. Ich
befahl ihm: »Nehmen Sie ihnen die Waffen ab, alter Mann. Einem
nach dem andern. Sie brauchen keine Angst zu haben. Beim kleinsten
Mucks, den irgendeiner macht, jage ich Delgado eine Kugel in den
Bauch.«
Er schien mich überhaupt nicht
zu hören. Stand einfach nur da, von einer Seite zur anderen
schwankend. Ich sprach zu dem Mädchen, ohne sie anzusehen.
»Wie heißt du?«
Sie antwortete nicht, klammerte sich
dafür aber noch heftiger an meine Jacke. Delgado lachte roh.
»Die ist keine große Hilfe, lieber Freund. Kleine Blume hat
seit vielen Jahren kein Wort mehr von sich gegeben.«
Ich griff nach der Hand, die sich an
meiner Jacke festhielt und drehte das Mädchen so zu mir herum,
daß ich ihm ins Gesicht sehen konnte, das gefaßt und
aufmerksam wirkte.
»Verstehst du mich?«
Sie nickte.
»Gut, dann nimm ihnen jetzt
ihre Waffen ab und habe keine Angst. Ich schieße jeden nieder,
der dir etwas tun will.«
Tief in ihren Augen bewegte sich
etwas, in ihrem Gesicht geschah etwas, obwohl es schwierig zu sagen
war, was es zu bedenken hatte. Auf jeden Fall drehte sie sich um und
ging auf die Männer an der Bar zu.
In der Stille hinter mir klirrten Sporen. Ich
begann mich umzudrehen und erinnerte mich zu spät daran, daß
draußen am Geländer sechs Pferde angebunden gewesen waren,
was bedeutete, daß einer von den rurales bisher
nicht im Schankraum gewesen war. Da traf mich auch schon der Schlag.
Ein schwerer Schlag irgendwo hinter dem rechten Ohr, der mich zu Boden
schickte, ehe ich recht begriffen hatte, was los war.
Die Enfield ging in dem Augenblick
los, da sie auf dem Boden aufschlug, weil, wie ich schon erwähnte,
ihr Abzug so empfindlich war, daß sie schier schon beim Anhauchen
schoß. Es entstand Lärm und Durcheinander, und das
nächste war ein dumpfer Schmerz in der Brust, verursacht von einem
Stiefel, der dort hintrat. Ich wurde nicht direkt bewußtlos, aber
es dauerte doch ein Weilchen, bis ich mich wieder auf den Knien fand.
Allerdings mit auf den Rücken gebundenen Händen.
Delgado war emsig damit
beschäftigt, am Ende eines Sattellassos eine Schlinge zu
knüpfen. Er tätschelte mir gütig das Gesicht, dann
streifte er mir die Schlinge über den Kopf und warf das andere
Ende des Lassos über einen der Deckenbalken.
Zwei seiner Leute hielten das um sich
schlagende Mädchen fest, die anderen drei griffen sich das Seil.
Delgado lächelte. »Zuerst hängen wir Sie nur ein
kleines bißchen, Señor. Dann vergnügen wir uns ein
wenig mit Kleine Blume. Das zu beobachten sollte Ihnen viel Freude
machen. Und danach na, wir werden sehen. Ich versuche mir etwas
Spezielles auszudenken. Einem feinen Herrn wie Ihnen ist man das
schuldig.«
Das Seil unter meinem Kinn wurde
ziemlich eng und begann zu spannen. Es zog mir den Kopf zurück und
in die Höhe, bis ich auf Zehenspitzen vor ihm stand. Der alte
Tacho duckte sich hinter einen
Weitere Kostenlose Bücher