Kopfjagd
Gipfelzacken hatte. Trotz des dichten
Regens konnten wir beide in der Entfernung eindeutig vor uns ausmachen.
Der unglaublich robuste Motor seines
Mercedes sprang ohne jede Mühe sofort an, sobald van Horne nur den
Anlasser betätigte. Er fuhr langsam los, sich beim Fahren den Weg
suchend, weil auch der letzte Rest jeder Spur, der wir bisher gefolgt
waren, von dem starken Regen verwaschen war.
Es war noch immer bitter kalt.
Victoria blieb in die beiden Wagendecken gewickelt, in die sie sich die
Nacht über vergraben hatte. Sie blickte hinaus in den Morgen. Ihr
Gesicht sah so ernst und nachdenklich aus wie immer. Ich fragte sie, ob
es ihr gutgehe, und sie nickte und lächelte sogar, was bei ihr
– wie ich inzwischen wußte – etwas heißen
wollte.
Van Horne sagte: »Wieso sprechen Sie eigentlich so gut spanisch?«
»Meine Mutter stammt aus Sevilla.«
»Tatsächlich? Ihr alter
Herr muß sich ja umgetan haben. Ich habe die Sprache in Juarez
gelernt. Da habe ich ein Jahr lang als Manager in einem kleinen
Spielcasino gearbeitet. Weil ich für eine Weile von der
Bildfläche hatte verschwinden müssen. Ich war nämlich
aus Leavenworth ausgebrochen. Das ist das staatliche Zuchthaus von
Texas.«
»Warum waren Sie denn drin?«
»Weil ich einen erschossen
hatte, der mich hatte erschießen wollen. Nur, er hatte Freunde
beim Gericht, und ich nicht.«
Es war schon seltsam, wie er sich inzwischen
verändert hatte. Diese ungestüm vertrauliche Art, und dazu
diese Härte in seiner Stimme, als wollte er unentwegt etwas
beweisen; wobei nicht eindeutig zu bestimmen war, ob mir oder sich
selbst. Ich dachte über all dies nach, weil es sonst nichts gab,
worüber ich hätte nachdenken können, während wir
einige Minuten später über eine kleine Hügelkuppe
fuhren. Und dort erblickten wir dann unten am Abhang die berittene
Polizei.
Sie waren zu Pferde und hatten sich
in einem Kreis versammelt, als warteten sie jeden Augenblick auf ihre
Befehle nach dem Abbruch des Lagers. Die Überraschung war
beiderseitig. Das leise Schnurren des Motors wegen der langsamen
Geschwindigkeit, mit der wir fuhren, zusammen mit dem heftigen Regen
und seinem Geräusch waren die Erklärung, warum sie uns nicht
kommen gehört hatten.
Es gab einen einzigen, erregten
Aufschrei, als sie uns bemerkten, und während van Horne das Steuer
herumriß und hart aufs Gas trat, pfiffen bereits einige Kugeln
durch die Luft. Wir rasten in einer großen Schleife den
Hügel hinunter, mitten durch eine dreißig Zentimeter tiefe
Wasserpfütze, und hinaus auf das letzte Stück Ebene, das zu
den Bergen führte.
Aber inzwischen hatte die Jagd aufs
heftigste begonnen, und das Ende war keineswegs abzusehen, schon gar
nicht unser Davonkommen, denn die federales hatten
wie üblich ausgezeichnete Pferde. Und wenn van Horne auch sein
möglichstes tat, gab es doch Strecken, wo er notgedrungen das
Tempo erheblich verringern mußte.
Wir hatten noch etwa zweihundert
Meter Vorsprung, als er fluchte und auf die Bremse trat. Wir fuhren
gerade über einen kleinen Hügel, und dahinter war der Weg von
einem überfluteten Flußbett versperrt. Als wir
zurückgestoßen und abgebogen waren, hatte sich unser
Vorsprung bereits auf fünfzig Meter verringert. Wir rasten steil
die Anhöhe hinauf, über eine breite Kuppe des
Zuckerhutberges. Die Räder drehten auf dem losen Geröll
häufig durch.
»Wenn wir nur erst da oben
sind, finden wir sicher auch diesen Pfad«, schrie van Horne.
»Die haben nicht den Hauch einer Chance, uns einzuholen. Die
Thompson ist unter deinem Sitz, Junge. Schreck sie ein bißchen
ab.«
Ich zog die berühmte Gladstonetasche hervor
und fand die MP. Auf einem Stoß aus Dutzenden von Bündeln
Banknoten, frisch aus der Druckerpresse. Eine interessante Entdeckung,
aber ich hatte im Augenblick Wichtigeres zu tun. Ich lehnte mich hinaus
und ließ, deutlich über die Köpfe unserer Verfolger,
eine lange, ratternde Garbe los. Das zügelte sie zwar sichtlich,
aber als ich die Demonstration zu wiederholen versuchte, hatte die
Thompson Ladehemmung. Ausgerechnet! Aber das kam bei dieser Waffe
ziemlich häufig vor.
Die federales hetzten
ihre Pferde den Hang hinauf, aber wir hatten den Berg im nächsten
Moment schon passiert und sahen nun tatsächlich keine fünfzig
Meter unter uns den Pfad ganz deutlich. Er war in sehr viel besserem
Zustand, als ich je erwartet hätte, und in dem Augenblick, als wir
ihn erreicht hatten und auf ihn
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