Kopfjagd
fühlte mich verständlicherweise deprimiert. Die Geräusche des draußen im Hof sich wie üblich abspielenden Lebens halfen auch nicht viel.
Dann kam das Treten marschierender Soldatenstiefel näher, ein oder zwei laute Befehle hallten über den ganzen Hof. Van Horne erhob sich und ging ans Fenster. Im Gebäude und im Hof entstanden Bewegung und Unruhe, und Stimmengewirr war zu hören. Plötzlich zerriß ein hoher schriller Schrei die Luft.
»Was ist da draußen los?« fragte ich.
»Na, sie holen irgend so einen armen Teufel zum Erschießen, und er verkraftet das nicht so gut.«
Ich ging auch ans Fenster und spähte ebenfalls durch die Gitterstäbe. Vor der gegenüberliegenden Hofmauer stand ein Holzpfahl, und der Gefangene, den sie daran festbanden, wehrte sich wie ein Berserker. Vier Soldaten waren nötig, ihn zu überwältigen. Als sie dann weggingen und er stehend am Pfosten angebunden war, konnte ich sein Gesicht sehen. Ich konnte ein kurzes, ironisches Lachen nicht unterdrücken.
»Wie sagte der alte Tacho? Gott sieht manchmal sogar durch die Wolken zu uns herunter.«
»Kennst du ihn?«
Ich nickte. »Capitan José Ortiz. Chef der Polizei in Bonito.«
»Gott verdamm mich«, sagte van Horne. »Dieser Bonilla räumt aber auf, wie? Wo der hinhaut, wächst kein Gras mehr.«
Ortiz konnte sich nicht mehr unehrenhaft aufführen. Sie hatten ihn auch noch mit einem alten Taschentuch geknebelt und ihm die Augen verbunden. Cordona befehligte das Erschießungskommando. Ich blieb am Fenster, um aus irgendeinem perversen Grund zuzusehen. Aber schließlich hatte ich schon eine Menge Menschen auf diese Art sterben sehen, und es hatte alles keine rechte Realität. Ein kurzes scharfes Kommando, ein abgehacktes Knattern, und die bejammernswerte, an den Pfahl gebundene Kreatur hatte aufgehört zu existieren. Es lag keinerlei Befriedigung in einem solchen Anblick, und ohnehin kamen sie auch bereits, als ich mich abwandte, zu uns.
Der Sergeant und ein halbes Dutzend Soldaten führten uns wieder durch den Zellenblock und über einen kühlen, weißgetünchten Korridor, der so hohe Fenster hatte, daß man nicht hinaus in den Hof sehen konnte. Der Sergeant holte einen Schlüssel hervor und nahm uns die Fußeisen ab. Dann warteten wir.
Nach einer Weile ging die Tür hinter uns auf, und am Klirren von Fußeisen auf dem Boden war zu hören, daß noch ein weiterer Gefangener gebracht wurde. Ich blickte unauffällig über die Schulter nach hinten, und der Anblick verschaffte mir den Schock meines Lebens. Da stand, zwischen zwei Wachtposten, Janos. Sein Leinenanzug war unbeschreiblich verschmutzt, und von seinem großen fetten Gesicht perlte der Schweiß in Strömen.
Seine Augen weiteten sich, und er sagte ohne die leiseste Spur von Verlegenheit: »Mr. Keogh, Sir! So sieht man sich wieder!«
Angesichts der Unverfrorenheit dieses Menschen konnte ich
nicht anders – ich mußte lachen. »Darf ich dir meinen guten Freund Mr. Janos aus Bonito vorstellen«, sagte ich zu van Horne.
»Ach, der gute Mann, der Whisky mit Gewehren verwechselt?« murrte van Horne und lächelte ihn grimmig an. »Zumindest geben Sie ein ansehnliches Ziel für die Schützen ab, lieber Freund.«
Janos ging nicht darauf ein. Sie hatten ihm bis hierher seinen Stock gelassen, und mit ihm humpelte er vorwärts, nachdem sie ihm die Fußeisen abgenommen hatten. »Mr. Keogh, ich bedaure diese ganze Entwicklung der Dinge außerordentlich. Es war mein Fehler, Sir. Glauben Sie mir, wenn ich nur könnte, ich würde alles wiedergutmachen. Vielleicht ist es Ihnen eine Genugtuung, daß wir das gleiche Schicksal erleiden.«
»Nein, überhaupt keine Genugtuung«, erwiderte ich.
Die Tür ging auf, und Leutnant Cordona trat ein. Er hatte einige Blatt Papier in der rechten Hand und nickte dem Sergeanten zu. Dieser nahm Janos am Arm und führte ihn nach vorne.
»Paul Janos«, verlas Cordona vom ersten Blatt, »neunundfünfzig Jahre alt, vormals Graf Rakossy und Oberst der Österreichischen Kaiserlichen Garde.«
»Muß das wirklich alles aufgeführt werden?« fragte Janos verdrossen.
»Gegen Sie ist vor einem Militärgericht wegen der Anklage des Hochverrats verhandelt worden. Sie wurden für schuldig befunden. Das Urteil des Gerichts lautet, daß Sie erschossen werden sollen.«
»Dann schlage ich vor, daß wir dies so rasch wie möglich hinter uns bringen.«
Cordona salutierte förmlich und öffnete das Tor.
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