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Kopfjagd

Kopfjagd

Titel: Kopfjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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andeutungsweise Haltung an. Ich nickte, wünschte ihm Guten Abend und blickte ohne besondere Aufmerksamkeit nach draußen.
    Die Straße war leer. Nur zwei Indios saßen an der
    Lehmziegelmauer eines Hauses gegenüber. Der Mann trug Ledergamaschen und ein rotes Flanellhemd. Sein schulterlanges Haar war mit einem Streifen des gleichen Stoffes zusammengebunden. Im Schoß hielt er eine alte Winchesterflinte.
      Die Frau hatte rabenschwarzes Haar, das wie ein dunkler Vorhang über ihre Schultern fiel, und mit einem scharlachroten Band aus der Stirn gehalten wurde. Ihr Hemd war voller schöner Indiostickerei und ebenfalls scharlachrot, ein silberbeschlagener Gürtel raffte den schwarzen Rock in der Taille zusammen, der gerade über ihre Knie reichte. Als sie aufstand, sah ich, daß sie darunter Naturlederstiefel anhatte.
      Sie kam über die Straße gerannt, streckte mir die Hände durch die Gitterstäbe entgegen und griff nach meiner Hand. Ich brauchte einige Sekunden, um zu erkennen, daß diese stolze, barbarische kleine Schönheit Victoria Balbuena war.

    Ich hielt sie fest und spürte die Woge der Gefühle in mir, die ich mir selbst nicht erklären konnte, während ich in ihre Augen sah, die für die Stimme zu sprechen versuchten.
    »Es ist alles in Ordnung«, sagte ich. »Es geht mir gut. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
      Da schob mich der Wachtposten plötzlich mit einer schnellen, unerwarteten Bewegung zur Seite und schlug mit seinem Gewehrkolben so brutal nach diesen kleinen braunen Händen, daß sie zweifellos zerschmettert gewesen wären, hätte er sie getroffen.
      Aber sie zog ihre Hände gerade noch rechtzeitig zurück, und während sein Gewehrkolben statt dessen gegen die Gitterstäbe des Tors krachte, hatte ich ihn schon an der Kehle und drückte sie ihm in aufwallendem blinden Zorn so zu, daß ich ihn fast erwürgte.
      Es gab aufgeregtes Geschrei. Ich bemerkte den Indio mit dem weißen Haar an Victorias Seite. Der Abzug seiner Winchester klickte, als er sie durchlud, plötzlich stand van Horne zwischen mir und dem Posten und trennte uns.
      Der Posten taumelte gegen die Mauer und stürzte zu Boden. Er wollte gerade sein Gewehr anlegen, als Cordona angerannt kam und es ihm aus der Hand schlug. Der unglückliche Wachtposten versuchte aufzustehen, ging aber sofort wieder zu Boden, als ihn des Leutnants Faust mitten ins Gesicht traf.
      Ich half dem armen Teufel wieder auf die Füße und lehnte ihn an die Mauer, aber als ich mich danach wieder umwandte, waren Victoria und ihr Begleiter verschwunden.
      »Wo ist sie hin?« Ich umklammerte die Stäbe des Tors. »Hast du gesehen, wer das war?«
      Van Horne nickte. »Ich hab' dir alles über die Gewohnheiten der Yaquis gesagt, Junge. Sie hat die Lebensumstände ihres Stammes wieder angenommen. Sie ist zurück zu ihrem Volk gegangen.«
    Cordona nickte dazu. »Der Mann, der bei ihr war, ist Nachita, der Stammesälteste der Windfluß-Yaqui – ihre Mutter war eine von ihnen. Er kommt zweimal im Jahr hierher nach Huila. Er führt einen Packzug über die Berge. Diese Transporte wagen heute nur noch Yaquis.«
    »Aber was macht sie bei ihm? Warum ist sie so angezogen?«
      »Er hat sie neulich hier vor dem Tor sitzen sehen, sie als Yaqui erkannt und ausgefragt. Für dieses Volk sind Familienbande alles, und er und dieses Mädchen sind eben vom selben Blut. Ihre Mutter war seine Cousine. Ich habe gestern mit ihm darüber gesprochen.«
      Sie hatte also wirklich trotz aller Ereignisse zu ihren eigenen Leuten gefunden. Ich fragte bedächtig: »Ist sie bei diesen Leuten gut aufgehoben?«
      »Das Mädchen gilt als reine Yaqui, weil es das Indianerblut von ihrer Mutter hat. Victorias Großvater war der Häuptling des Stammes, aus diesem Grund genießt sie ein besonderes Ansehen. Der Stamm ist glücklich, daß die Enkeltochter des Häuptlings zurückgekehrt ist. Glauben Sie mir, ich kenne diese Leute. Dieser Nachita und alle Männer seines Stammes würden sich jeden vornehmen, der Victoria auch nur schief ansieht.«
      »Wie ich dir sagte, Keogh«, ergänzte van Horne. »Diese Yaqui sind schlimmer als die Apachen.«
      Ich aber wandte mich ab und ging schnell weg, denn ich konnte mir diesen seltsamen, unlogischen Schmerz in meinem Innern nicht erklären. Es hatte doch so und so keinen Sinn – wirklich überhaupt keinen. Als ich mich auf mein Bett legte und die Augen schloß, sah ich ihr Gesicht vor mir, und es ließ mich nicht mehr los.

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