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Kopfjagd

Kopfjagd

Titel: Kopfjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Armen und Elenden gab, dann war er es, würde ich sagen.«
    Es war seltsam, wie bei diesen Worten plötzlich meine ganze Knabenzeit vor meinem geistigen Auge auftauchte. Knockbree und die scharlachroten Meßgewänder und die weißen Ministrantenkutten, die anzuziehen ich so gehaßt hatte, und die Abneigung gegen die Einteilung zu den Wochentagsmessen. Ich war niemals besonders religiös gewesen. Und wenig förderlich für meine Einstellung zur christlichen Kirche war obendrein die Tatsache, daß mein Großvater in seinen alten Tagen – zum großen Skandal der ganzen Grafschaft – seiner Religion abgeschworen und sich den Plymouth-Brüdern angeschlossen hatte, die einem das Leben, wie er mir zu versichern nicht müde wurde, bedeutend angenehmer machten.
      Indessen hatte ich schon seit langem aufgehört, an irgendeinen gütigen Gott zu glauben. Der einzige Gott, den ich je gekannt hatte, war einer des Zorns, der Gewalt und Bösartigkeit brachte und die Menschen strafte, aber keine Güte zeigte, und diesen konnte ich sehr gut entbehren.
      Van Horne legte die Figur in den Koffer zurück, schloß langsam den Deckel und sah auf. »Sieht so aus, als sei ich wieder im Geschäft, wie?« höhnte er, aber er lächelte nicht dabei.

    Ich verbrachte nach Janos eine halbe Stunde in der Badewanne. Das Wasser war so heiß, daß es mir schier die Haut abzog. Dann ging ich mit einem Handtuch um die Hüfte zu unserem Zimmer zurück und zog mir saubere Kleider an, dank meiner Koffer, die Bonilla so fürsorglich hatte herbeischaffen lassen.
      Anschließend gesellte ich mich zu Janos, der an einem großen, runden Tisch auf der schattigen Terrasse an der anderen Hofseite saß. Ein Indio tänzelte servierend herum, und der Tisch war voll von guten Sachen. Tortillas, frijoles, eine große Platte Anchovis, grüne Oliven – die ich nie besonders gemocht hatte – und in Butter gerösteter Mais. Auch frisches Obst und mehrere Flaschen Rotwein fehlten nicht.
    Janos aß überraschend wenig, trank aber dafür eine Menge
    und schien einem Gespräch nicht abgeneigt. Ich hatte wenig Zweifel daran, daß es mir möglich war, ganz überzeugend einen Mineninspektor zu spielen, und sagte ihm das, und er schien mit mir zufrieden zu sein. Wir besprachen, daß er die Rolle des nicht besonders fachkundigen Finanziers spielen sollte, der ausschließlich an der wirtschaftlichen Seite der Sache interessiert sei, mit einem Wort, die Rolle eines guten, soliden Geschäftsmanns.
      Er war mittlerweile schon bei der zweiten Flasche Wein und erheblich gesprächiger. »Ein gefährliches Unternehmen, Sir. Ein sehr gefährliches Unternehmen. Aber wir werden das schon schaffen, keine Angst. Ihr Freund van Horne ist offensichtlich ein vielseitig begabter Mann, und Sie, Sir… nun, Sie erinnern mich immer wieder an meine eigene Jugendzeit. Quecksilber.«
      Weiß der Himmel, wie ich es fertig brachte, nicht laut aufzulachen, als er sich nun vorbeugte und mit vollem Ernst sagte: »Die Drüsen, Sir, die Drüsen. Der Fluch der Natur, seit meinem einunddreißigsten Lebensjahr. Bis dahin war ich so normal wie jeder Mann, ein ausgezeichneter Kavallerieoffizier, Träger eines alten Namens. Und jetzt – alles weg, alles vorbei.« Er schnaubte wie ein alter Bulle, und zu meiner Verblüffung standen Tränen in seinen Augen. Und dann fiel ihm das Kinn auf die Brust, und er fing zu schnarchen an.
      Ich störte ihn nicht weiter, zündete mir eine Zigarette an und ging ein wenig spazieren. Der Garten vor Bonillas Büro war menschenleer, und auch im großen Haupthof war niemand zu sehen – dort, wo heute morgen noch Exekutionen, echte und vorgetäuschte, stattgefunden hatten.
    Ich schlenderte hinüber zu dem Pfosten, an den ich gebunden gewesen war, betrachtete mir die mit Einschüssen übersäte Mauer dahinter und fragte mich, nicht zum ersten Mal, was es mit dem Leben eigentlich auf sich habe. Jedenfalls war es wohl eine Angelegenheit, über die nur wenige Menschen wirklich selbst bestimmen konnten.
      Ich wandte mich ab und bummelte weiter bis zum großen, mächtigen Haupttor, das aus dicken Eisenstäben bestand. Es war jetzt geschlossen. Ich konnte aber durch die Gitterstäbe auf die Straße sehen. Erst, als ich ganz nahe war, bemerkte ich, daß ein Posten, lässig auf sein Gewehr gestützt, in der Nische der dicken Mauer des Bogengangs stand, die als Postenhäuschen diente. Er machte seine halbgeschlossenen Augen auf, blinzelte, als ich näher kam, und nahm

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