Kopfjagd
selbst. »Ich denke anders darüber, Señor. Ich habe zehn Jahre lang für diese Leute gekämpft, nur um dann nach Hause zu kommen und einen Vater vorzufinden, der ein gebrochener alter Mann ist und seinen Verstand verloren hat, und eine Schwester, die schon schreit, wenn ein Mann sie nur im Vorbeigehen mit dem Ärmel streift.«
Eine ganze Weile herrschte Schweigen. Nur der Hauch einer Brise wehte durch die pinones. Einen Augenblick lang war es sogar so still, daß man die Räder des Pferdewagens unten knirschen hörte.
»Sie kamen in mein Haus, eines Nachts, in den letzen Monaten des Krieges. Soldaten der Armee der Revolution, voran ihr kommandierender Offizier, ein Vieh namens Varga, seines Zeichens Militärgouverneur der Region hier. Sie schlugen meinen Vater halbtot. Sie glaubten sogar, er sei wirklich tot und ließen ihn so liegen, nicht ohne noch auf ihn, wie er da lag, buchstäblich geschissen zu haben, Señor. Meine Schwester hat sich der große Varga persönlich vorgenommen und sie auf jede nur denkbare Weise erniedrigt und mißbraucht, um sie dann hinterher auch noch seinen Leuten zu überlassen.«
Das war nun eine alltägliche Geschichte – das eben war das Schreckliche an ihr. Ich hätte sie aus meinen Erfahrungen noch mit allerlei zusätzlichen Details ausschmücken können, die noch abstoßender waren.
Aber es war wieder van Horne, der nun etwas sagte, mit rauher Stimme und voll Zorn. »Und niemand griff ein, um das zu verhindern? Niemand, der ihnen beistand?«
»Die Leute von Mojada hockten wie geprügelte Hunde zu Hause, und für ihren damaligen Priester, ihren geistlichen Ratgeber, existierten überhaupt nur zwei Dinge im Leben. Mindestens eine Flasche Tequila und das stinkende Bett der Witwe, die seine Haushälterin war. Ein wahrer Hirte seiner Gemeinde, wie Sie sehen.«
»Und deshalb haben Sie der ganzen Welt den Krieg angesagt?«
»Ich habe einmal an Vernunft und Intelligenz geglaubt, Señor, aber ich bin eines Schlechteren belehrt worden. Ich habe den wahren Wert der Menschen kennengelernt. Ich habe Varga mit eigener Hand die Kehle durchgeschnitten, und ich habe den Priester aufgehängt und auch den, der nach ihm kam. Und was die Leute angeht… Die würden ihren eigenen Dreck fressen, wenn ich es ihnen befehlen würde.«
»Und das macht Sie glücklich?« fragte van Horne.
Tomas de la Plata starrte ihn an. Seine Augen schienen sich zu weiten und wurden dunkler. Als er zwei Finger seiner Hand ausstreckte, war nicht zu übersehen, daß diese Hand zitterte. »Zwei Tage, Pfaffe! Zwei Tage!« Er drehte sich um und fügte, noch im gleichen Atemzug hinzu: »Und Sie, Señor, werden zu gegebener Zeit von mir hören. Gehen Sie jetzt.«
Während wir den Hang hinunterstiegen, kamen seine Leute auf ihren Pferden herauf, um sich zu ihm zu gesellen. Ein kurzes Geraschel, und sie waren in den pinones verschwunden. Die Enfield lag auf einem Felsblock. Ich hob sie sorgfältig auf, prüfte das Magazin und steckte sie in den Schulterhalfter zurück.
Van Hornes Gesicht war grau. Er sagte: »Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber mich hat er zu Tode erschreckt. Der Typ ist jenseits von Gut und Böse.«
»Ziemlich weit jenseits sogar.«
Mittlerweile kam endlich der Pferdewagen über den letzten Hügel und hielt bei uns. Janos rief: »Ich dachte, Sie wären inzwischen schon längst bei der Mine. Was ist los? Gab es Probleme?«
»So kann man das wohl nennen, ja«, knurrte ich. Van Horne begann zu lachen, aber es war ein schmales, dünnes, mickriges Lachen. Ohne Saft und Kraft.
Unser Ziel war ein kleines Plateau, das vor dem Felsabfall des Berges gelegen war. Chela de la Plata ritt uns entgegen und lenkte nun ihr Pferd neben das von van Horne, der vorausritt.
Ich hörte nicht, was sie zu ihm sagte, aber er griff nach ihrer Hand und lächelte zuversichtlich. »Es ist alles in Ordnung. Bestimmt. Er hat keinerlei Absicht, sein Wort zu brechen.«
Die Erleichterung auf ihrem Gesicht konnte jedermann sehen. Sie galoppierte etwas voraus, um uns den Rest des Weges zum Plateau zu führen. Dort zügelte sie ihr Pferd und stieg ab.
Es war der Eingang eines Minenstollens. Er bestand in einem großen Loch in der Felswand. Nebenan puffte eine alte Dampfmaschine, die offenbar die Hauptenergiequelle war, Rauch in die stille Luft.
An mehreren Stellen wurde Wasser, das in vielen Rinnsalen aus dem Berg trat, gesammelt und von diesen Sammelbecken wieder in einen
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