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Kopfloser Sommer - Roman

Kopfloser Sommer - Roman

Titel: Kopfloser Sommer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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war.
    »Ich war wahrscheinlich schon da«, sagt er jetzt.
    »Du bist nicht in deinem Zimmer gewesen.«
    »Ich kann doch überall gewesen sein. Im Badezimmer zum Beispiel. Als ich herunterkam, habe ich gesehen, wie du bei Jacob gesessen hast. Du hast neben seinem Bett auf dem Boden gesessen und geschlafen. Ich habe dich in dein Zimmer getragen.«
    »Du warst bereits im Haus?«
    Er nickt. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Natürlich könnte er nach Hause gekommen sein, als ich im Garten nach ihm suchte. Und er könnte auch im Badezimmer gewesen sein, als ich die Türen abschloss und die Fenster verriegelte. Mich wundert nur, dass ich ihn nicht gehört habe. Und ich bin nicht sicher, ob es mir gefällt, dass er mich herumträgt, während ich schlafe.
    »Warum hast du eigentlich die Türen verschlossen?«, erkundigt sich Mutter.
    »Weil ich Angst hatte. Da war jemand im Garten, ich habe Geräusche gehört. Ich wusste nicht, ob es Anders war, es klang nach mehreren Personen.«
    »Was für ein Unfug, wer sollte das denn gewesen sein?«
    Ich weiß es nicht und komme mir plötzlich lächerlich vor. Aber trotzdem habe ich den Eindruck, dass irgendetwas an dieser Geschichte nicht stimmt. Ich wende mich noch einmal an Anders.
    »Kleb doch bitte das nächste Mal einen Zettel an deine Tür, wenn du so lange unterwegs bist.«
    »Einen Zettel?« Er grinst und versteht offenbar nicht, was ich meine.
    »Beruhige dich, Emilie«, mischt Mutter sich ein. »Er ist uns doch keine Rechenschaft schuldig, wo er die Nacht verbringt. Noch einen Kaffee?«
    Die Frage richtet sich an Anders, und bevor er antworten kann, holt sie schon den Kaffeekolben. Während sie mit einer Hand eingießt, ruht die andere auf seiner Schulter. Ich traue meinen Augen kaum. Sie benehmen sich wie ein altes Ehepaar, zwei, die sich gezankt haben und nun wieder gute Freunde sind. Es fehlt nur noch, dass er ihr einen Klaps auf den Hintern gibt.
    Ich lasse sie allein und gehe in mein Zimmer. Warum ist sie nicht wütend auf ihn? Weil sie sich schämt, dass sie sich so hat gehenlassen? Oder verheimlichen die beiden etwas vor mir? Ich glaube, sie waren heute Morgen, bevor ich aufgestanden bin, wieder zusammen. Mutter war hysterisch, und er hat sie wieder ins Bad gezogen und beruhigt. Oder sie haben richtig miteinander geschlafen. Er hat sich gestern Abend zu ihr geschlichen, als ich nach ihm suchte, und nun will er,dass sie es vor mir verheimlichen. Wieso fällt mir das erst jetzt ein?
    Den Rest des Tages benimmt sich Mutter auch weiterhin so. Ständig bringt sie ihm Bier oder Kaffee und Buttergebäck in den Garten, und als er sich an einem Dorn sticht und an seinem Zeigefinger saugt, ist sie sofort mit einem Pflaster zur Stelle. Sie huscht um ihn herum und plustert sich auf wie ein brütendes Huhn. Als Anders Jacob erlaubt, die eingeschaltete Motorsäge zu halten, ja, ihn sogar einen Baumstamm durchsägen lässt, erwarte ich, dass Mutter einschreitet. Meines Erachtens sieht es nicht ganz ungefährlich aus. Aber sie schaut nur zu, als hätte sie überhaupt keine Angst um Jacob. Anders schaltet das Gerät aus und zeigt Jacob, wie er die Säge halten und die Beine spreizen muss. Dann wirft er die Säge wieder an und Jacob arbeitet weiter. Jetzt sieht es zumindest etwas sicherer aus.
    Es dauert nicht lange, und Mutter will es auch einmal versuchen. Auch sie darf ein bisschen sägen, allerdings sieht es noch gefährlicher aus als bei Jacob. Anders muss sich hinter sie stellen, er legt die Arme um sie und hilft ihr, die Säge zu halten. Und sie schiebt ihm den Hintern entgegen, offenbar geht es ihr blendend. Anders hingegen wirkt verbissen und geradezu gereizt. Jetzt stellt er die Säge ab, nimmt sie Mutter aus der Hand und geht in den hinteren Teil des Gartens. Jacob läuft ihm nach, Mutter bleibt stehen und sieht ihnen hinterher. Sie sieht aus wie ein Kind, mit dem niemand spielen will. Dann schaut sie sich um und sieht mich am Wohnzimmerfenster stehen. In diesem Moment wird irgendwo im Garten die Motorsäge angeworfen. Ich hoffe, Anders sägt selbst. Das Gerät wirkte groß im Vergleich zu Jacobs schmächtigem Körper.
    Mutter geht in die Küche und stellt den Ofen an. Sie bereitet einen saftigen Rinderbraten vor. Mich überrascht es nicht,denn inzwischen wissen wir ja, dass Anders am liebsten Fleisch mag. Und es muss innen noch rot sein.
    Beim Abendessen isst Anders für zwei, nur die Kartoffeln rührt er kaum an.
    »Wieso muss er keine Kartoffeln essen, aber

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