Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kopfloser Sommer - Roman

Kopfloser Sommer - Roman

Titel: Kopfloser Sommer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
Vom Netzwerk:
allmählich beruhigt er sich. Aber er will nicht wieder zurück ins Wohnzimmer. Er will in unserem Zimmer bleiben, bis wir wieder nach Hause fahren, daran ist nichts zu ändern. Ich lasse ihn in Ruhe und gehe zu Vater, der sich in seinen Sessel gesetzt hat. Ich wundere mich, dass er noch nicht mit den Vorbereitungen zum Abendessen begonnen hat, denn es ist fast sieben. Aber vielleicht gehen wir ja in ein Restaurant, das wäre schön, mit Mutter machen wir so etwas nie. Vielleicht bringt uns das auf andere Gedanken.
    »Was ist mit dem Abendessen?«, erkundige ich mich.
    Er scheint mich jedoch überhaupt nicht zu hören und sieht noch immer verärgert aus. Ich weiß nicht, was ich machen soll.
    »Sag mal, Emilie, was ist eigentlich los?«, fragt er nach einer längeren Pause.
    »Was meinst du? Du hast Jacob mit der Gitarre eine Kopfnuss verpasst, das ist los.«
    »Der Bursche, den ihr Onkel Anders nennt, wohnt jetzt seit über einer Woche bei euch. Und ihr habt keine Ahnung, wer er ist?«
    Oh Mist, Jacob hat sich also doch verplappert. Ich hätte ihm mit Prügel oder noch Schlimmerem drohen sollen.
    »Es ist wichtig, dass Jacob sich jemandem anvertrauen kann, Emilie. Ich habe den Eindruck, dass er nervös ist, und mache mir Sorgen. Er fühlt sich nicht wohl bei diesem Anders und seinen Gespenstergeschichten mit kopflosen Rittern und weiß der Teufel noch was. Und ich halte es für ziemlich verantwortungslos von deiner Mutter, ihn einfach bei euch einziehen zu lassen.«
    »So schlimm ist es nun auch wieder nicht. Mutter hat das im Griff, mach dir keine Sorgen.«
    Ich hasse es, wenn er über Mutters Verantwortung redet, allerdings hasse ich es umgekehrt genauso, wenn sie über seine Verantwortung spricht. Aber es kommt noch schlimmer.
    »So, hat sie das, Emilie? Jacob hat mir erzählt, sie hätte vormittags ein paar Mal Kopfschmerzen gehabt, im Bett gelegen und sich übergeben. Wir zwei wissen genau, weshalb. Ist es schlimmer geworden oder hat es sich gebessert, seit sie allein mit euch ist?«
    »Darüber musst du selbst mit ihr reden«, erwidere ich, denn, mal ehrlich, was bildet er sich eigentlich ein? Ich habe keine Lust, mich in dieser Form verhören zu lassen. Es gibtkeinen Grund, mich da hineinzuziehen, und Jacob schon gar nicht.
    Eine Weile sagt niemand von uns ein Wort. Er spürt, dass ich wütend bin. Ich spüre es auch und bin richtig stolz, denn wo Wut ist, ist auch Hoffnung, sagt Anders. Nur hält dieses Gefühl nicht lange an, ich merke, wie mir die Tränen kommen. Am liebsten würde ich meine Worte zurücknehmen.
    »Wir wollen uns nicht streiten, Emilie«, sagt er. »Wir sehen uns so selten, lass uns Frieden schließen.«
    Er umarmt mich, und ich drücke mich an ihn. Aber dann gehen mir Anders’ Worte durch den Kopf, dass ich meine Gefühle nicht in mich hineinfressen darf, weil sie sich dann in Kummer verwandeln. Ich darf nicht so schnell aufgeben. Ich schubse ihn weg und versuche meine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Vater setzt sich wieder in den Sessel, vermutlich verwundert über mein Verhalten. Normalerweise will ich immer sofort Frieden schließen; warum nicht auch jetzt?
    »Ich weiß nicht, ob ich überhaupt bei dir wohnen will.«
    »Wieso nicht?«
    Und dann platze ich damit heraus, denn wenn ich es nicht jetzt sage, dann niemals.
    »Ich habe damals den Brief an Mutter geschrieben, in dem stand, dass du eine Geliebte hast!«
    »Was für einen Brief?«
    »Das weißt du doch genau. Den anonymen Brief, der zur Scheidung geführt hat.«
    Ich bin irritiert, das er nicht sofort weiß, wovon ich spreche. Er scheint sich nicht einmal daran zu erinnern.
    »Ich habe dich auf dem Heimweg nach dem Kino mit einer anderen Frau gesehen und bin euch gefolgt. Ich habe gesehen, wie ihr zu ihr gegangen seid, und herausgefunden, dass du dich heimlich mit ihr getroffen hast. Jedes Mal, wenn du angeblich schwimmen gehen wolltest. Wenn Mutter dich gefragt hat, ob es eine andere gibt, hast du gelogen. Was sollte ich machen? Schließlich habe ich Mutter geschrieben.«
    Jetzt dämmert ihm offenbar etwas.
    »Ach, diesen Brief meinst du. Du warst das, Emilie? Du kleine Denunziantin, jetzt kommt es heraus, was?« Zu meiner Überraschung fängt er an zu lachen. »Wieso habe ich nicht gleich daran gedacht? Ha! Du warst das also. Hast du es deiner Mutter erzählt?«
    Ich schüttele den Kopf und verstehe noch immer nicht, was daran so komisch ist. Ich muss mich zusammenreißen, um nicht in Tränen auszubrechen.
    »Eine

Weitere Kostenlose Bücher