KORNAPFELGRUEN
Frau so etwas machte, dann hatte sie einen gewichtigen Grund, sagte sich Camilla. Immerhin war sie selbst eine Frau, sie wusste das einfach.
Beim Nachhausekommen traf sie Ruth im Treppenhaus.
„Ich wollte gerade bei dir klingeln!“
Ruth strahlte übers ganze Gesicht und wirkte irgendwie verändert. An Äußerlichkeiten konnte es nicht liegen, wie Camilla nach einem kurzen Augencheck feststellte. Selbst die Haare Ruths waren wie immer frisiert.
„Was ist los mit dir? Hast du etwa im Lotto gewonnen?“
Ruth lachte aufgeräumt. „Das nun nicht gerade. Aber du hattest Recht neulich, was Alex angeht. Der freche Papagei könnte mir tatsächlich in nächster Zeit eine schöne Stange Geld einbringen.“
„Ach, du hast also schon mit Fritzi gesprochen?“
„Oh ja, das habe ich. Wir haben uns auch bereits einige Male getroffen. Er hat mich einem Regisseur vorgestellt, der wiederum einen guten Tiertrainer kennt. Der wird sich Alex vornehmen, und dann werden wir weitersehen.“
„Das klingt ja wunderbar, Ruth. Hast du Lust auf eine Tasse Kaffee?“
„Lust hätte ich schon, Mädchen. Aber keine Zeit, um ehrlich zu sein. Ich bin gleich verabredet.“
Camilla dämmerte etwas. „Etwa mit Fritzi?“
„Mhm. Er führt mich heute aus. Wir gehen zu dem neuen Italiener in der Herzogstraße. Der soll ja angeblich so phantastisch sein.“
„Na, schlecht ist er zumindest nicht. Ich war neulich erst mit Richard da.“
Camilla musterte Ruth noch einmal unauffällig von Kopf bis Fuß.
Und plötzlich wusste sie es - Nämlich woher sie kam, diese plötzliche Veränderung der Freundin! Ruth war frisch verliebt! Und es kam wohl kein anderer Mann als Fritzi in Betracht ….
„Ruth, du weißt schon, der Mann ist siebzig!“, begann Camilla vorsichtig.
„Och, das macht bei dem nichts. Auf das Alter allein kommt es schließlich nicht an. Und ich werde auch nächstes Jahr bereits sechzig. Ein Altersunterschied von zehn Jahren ist doch wahrlich kein Drama.“
„Das habe ich allerdings nicht gewusst. Du siehst um Jahre jünger aus.“
„Danke, mein Mädchen! Es ist aber eine Tatsache. Ich habe meinen Raoul erst reichlich spät in die Welt gesetzt. Vielleicht hat mich der Junge so lange frisch gehalten.“ Ruth lachte mädchenhaft fröhlich.
Der übliche Kommentar zu Raouls Verhalten oder den Sorgen, die er Ruth angeblich machte, blieb aus.
„Wie geht es Raoul überhaupt?“ Camilla hatte ihre Überraschung über Ruths tatsächliches Alter überwunden.
„Och, der schwebt wohl immer noch im siebten Himmel mit seiner neuen Flamme. Du, jetzt muss ich aber los, Fritzi wartet.“
Wieder kein Kommentar, auch nicht zu der neuen Flamme des Sohnemannes! Ruth schien die Sache auf einmal auf die leichte Schulter zu nehmen.
„Klar. Viel Spaß wünsche ich euch beiden!“, Camilla lächelte Ruth zu und zwinkerte mit einem Auge: „Und bleib mir sauber, hörst du?“
„Das kann ich dir nicht versprechen!“, kam es lachend zurück.
Ruth nahm glatt zwei Treppenstufen auf einmal beim Hinunterlaufen.
Von hinten wirkte sie dabei wie ein junges Mädchen, stellte Camilla gerührt fest. Wie ein junges verliebtes Ding, das dem ersten Rendezvous entgegeneilt.
Was die Liebe doch in jedem Alter mit einem Menschen anstellen konnte!
Oben dann, in der Wohnung, fiel Camilla allerdings urplötzlich Elly ein, Daniel Kleebergs Sekretärin.
Es hatte doch ganz den Anschein gehabt, als wären Elly und Fritzi ein Pärchen?!
Konnte sie sich bei dieser Einschätzung tatsächlich so sehr getäuscht haben? Camilla hoffte es sehr, schon wegen Ruth.
Als das Telefon zu klingeln begann, überfiel sie ein spontanes nervöses Flattern in der Magengrube.
Daniel Kleeberg ?
Rasch schob Camilla den Gedanken beiseite. Das wurde ja immer schöner! Wieso schlich sich der Kerl schon wieder hinterrücks in ihre Gedanken? Bloß, weil das Telefon klingelte …?
Es war Daniel Kleeberg!
„Hallo, meine Liebe!“ sagte er, „störe ich Sie gerade bei einer wichtigen Arbeit?“
„Ich kann das durchaus für einen Moment unterbrechen!“ Sie hoffte bloß, dass sie professionell und obendrein unbefangen klang.
„Ich wollte Ihnen nur sagen, ich habe unser Zusammensein neulich im Café sehr genossen!“
„Oh, das ... ja, es war nett, ich erinnere mich. Wie geht es übrigens Ihrem Freund Simon?“
Daniel lachte. „Der ist jetzt tatsächlich auf den Hund gekommen. Eine reinrassige Promenadenmischung. Scheint allerdings ein liebes Tier zu sein.
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