Korona
warum habt ihr euch so lange nicht gemeldet?«
Amy erzählte ihm im Schnelldurchlauf von ihren Erlebnissen. Obwohl sie viele Einzelheiten ausließ, dauerte es immer noch zehn Minuten, bis alle Fragen geklärt waren. Richard war sichtlich beeindruckt. »Das sind ja richtig gute Neuigkeiten«, sagte er. »Mit Philippe Rasteau ist euch ein ganz dicker Fisch ins Netz gegangen. Phantastische Arbeit, Ray. Du bist ein Segen für uns.«
»Tut mir leid, dass wir uns erst so spät melden«, sagte Amy. »Es hat sich einfach nicht früher ergeben. Wir waren die ganze Zeit unterwegs. Keine Chance, ein Netz aufzubauen und dir eine Nachricht zukommen zu lassen. Wird nicht wieder vorkommen, versprochen. Aber wenigstens haben wir jetzt einen Anhaltspunkt. Sieh mal, was wir gefunden haben.«
Sie hob den Laptop hoch und schwenkte ihn so, dass Richard durch die eingebaute Kamera einen Blick auf die Umgebung werfen konnte.
»Was soll das sein?«, schepperte es aus dem Lautsprecher. »Ruinen?«
»Verdammt richtig«, sagte Amy und drehte das Notebook wieder herum. »Dan hat einige der Steine untersucht und schätzt ihr Alter auf etwa tausendfünfhundert Jahre. Es könnte also durchaus sein, dass wir hier auf die Grundmauern von Kitara gestoßen sind. Wie findest du das?«
Richards Gesicht wirkte wie versteinert. »Du willst mich veralbern. Die legendäre Stadt aus Gold? Burke hat mir davon erzählt. Ich habe das immer für eine romantische Spinnerei abgetan. Wie die Legende von Eldorado.«
»Vermutlich sind William und seine Leute hier gewesen, als der Sturm über sie hereinbrach«, ergänzte Mellie. »Wir hatten eine höchst merkwürdige Unterhaltung mit einer ortsansässigen Stammesältesten. Sie behauptete steif und fest, dass eine Art Portal in dieser Gegend existieren würde. Ein Tor in eine andere Welt, das sich alle paar hundert Jahre für kurze Zeit öffnet. Kannst du dir vorstellen, was sie damit gemeint hat?«
Richard schüttelte den Kopf.
»Wir auch nicht«, sagte Amy. »Na egal, du kannst dir sicher vorstellen, dass wir alle ziemlich aus dem Häuschen sind. Ich habe vor, noch ein paar Tage zu bleiben und die Ruinen systematisch abzusuchen. Mit ein bisschen Glück finden wir heraus, was hier passiert ist.«
»Ich möchte eure Freude ja nicht trüben«, sagte Richard, »aber ich fürchte, aus deinem Plan wird nichts.«
»Was soll das heißen?«
»Hast du denn nicht auf die Wetterkarten gesehen?«
Amy schüttelte den Kopf. »Ich sagte doch schon, dass ich nicht dazu gekommen bin.«
»Gib mir mal Karl.«
Der Meteorologe drängte sich nach vorn. »Hier bin ich. Was gibt’s denn?«
»Auf euch rollt ein massives Tiefdruckgebiet zu. Es wird euch in einigen Stunden erreichen und euch eine ziemlich ungemütliche Zeit bescheren. Die Front wird heute Nacht über euch hinwegziehen. Normalerweise hätte ich euch geraten, sofort umzukehren, aber das ist ja nun nicht mehr möglich.«
»Und was heißt das konkret?« Zwischen Karls Brauen war eine steile Falte entstanden. »Wie schlimm wird es?«
Richard schüttelte den Kopf. »Temperaturstürze von mindestens zwanzig Grad. Ihr werdet es mit großer Wahrscheinlichkeit mit Eis und Schnee zu tun bekommen. Habt ihr wenigstens ein paar zusätzliche Decken dabei?«
»Natürlich«, sagte Amy. »Und Zelte auch. Wenn alle Stricke reißen, können wir immer noch in die Stadt der Bugonde zurück. Wie lange soll diese Schlechtwetterperiode denn andauern?«
Richard zuckte die Achseln. »Die Aussagen darüber gehen auseinander, aber die meisten Meteorologen reden davon, dass sie mindestens eine Woche anhalten wird.« Er seufzte. »Mir ist nicht wohl dabei, euch so lange allein zu lassen. Seid ihr sicher, dass ich euch keine Unterstützung schicken soll? Ich könnte versuchen, einen Hubschrauber anzufordern.«
»Wir kommen schon klar«, erwiderte Amy. »Das Glück war uns bisher gewogen und ich denke, dass es uns auch weiter gewogen sein wird. Wenn irgendetwas schiefgeht, melden wir uns.«
Richard blickte unglücklich in die Kamera. »Ich weiß, dass ich euch das nicht ausreden kann, aber tut mir wenigstens einen Gefallen: Befestigt euer Lager. Verzurrt eure Zelte und macht alles winterfest. Gegen das, was da auf euch zurollt, waren die letzten Tage ein verdammter Strandurlaub.«
19
Der namenlose Krieger kauerte im schattigen Inneren der Stummen Halle. Ein Außenstehender hätte ihn im Dämmerlicht für einen Blätterhaufen halten können, so still und bewegungslos saß er da. An die
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