Korona
setzte sich wieder an ihren Computer und versuchte eine neue Verbindung aufzubauen. Der GPS -Link war weg. Kein Problem, sie konnte mit den alten Einstellungen arbeiten. Sie würde dann zwar keine Bildverbindung herstellen können, aber hören war besser als gar nichts.
Sie unterbrach den Sendeaufbau und startete den Audiokanal. Nach einer Reihe gescheiterter Versuche hörte sie endlich einen erlösenden Piepton. Die Mailbox! Wenigstens etwas. Der Ansagetext war so schwach, dass sie auf volle Lautstärke drehen musste. »Hallo, Richard«, sagte sie. »Hier ist Amy. Ich hoffe, dass du diese Nachricht empfangen kannst. Es geht uns gut. Leider wurden wir durch unvorhersehbare Ereignisse gezwungen, unsere Mission hier abzubrechen. Wir haben den nächtlichen Sturm unbeschadet überstanden, werden uns aber heute noch auf den Rückweg zu den Bugonde machen. Wie es von dort aus weitergeht, hängt ganz vom Wetter ab. Bitte melde dich, wenn du wieder zurück bist. Falls du nicht durchkommst, hinterlasse mir einfach eine Nachricht. Ich werde heute Abend einen weiteren Versuch starten, dann hoffentlich mit Bild. Mehr kann ich dir im Moment nicht sagen. Drück uns die Daumen. Amy Ende.«
Eine plötzliche Windbö fuhr durch den Wald und zerrte an dem Zelt. Amy schaute in die Runde. Der Himmel war pechschwarz geworden. Der Schnee nur noch eine Masse unterschiedlicher Grautöne. Irgendwo hinter ihr ertönte ein Donnern. Ein Wetterleuchten zuckte über den Himmel. In aller Eile schaltete sie das Programm aus und fuhr den Rechner herunter.
Sie hatte gerade das Notebook zugeklappt, als über die gebogenen Metallstreben ihres Zeltes Lichtpunkte huschten, leuchtend wie fluoreszierende Ameisen. Flirrend und sirrend wuselten sie zum Boden hinab, von dort ihre Beine hinauf und bis zu ihrem Computer. Amy riss die Hände empor. Die kleinen leuchtenden Dinger verteilten sich über ihren Schoß, sausten auf das elektronische Gerät zu und vereinigten sich dort zu einem leuchtenden Schwarm. Sie schwirrten und umkreisten einander in einem wilden Tanz, und von Sekunde zu Sekunde wurden es mehr. Vorsichtig stellte sie das Gerät ab. In diesem Moment erklang ein furchtbares Zischen. Ein ohrenbetäubender Knall zerriss die Stille. Die Welt um sie herum erstrahlte in gleißender Helligkeit. Der Boden bebte. Irgendwo links von ihr zerbarst ein Baumstamm. Sie sah, wie ein Ast zu Boden krachte, Unmengen zerfetztes Laub mit sich reißend.
Panisch vor Angst und Schrecken taumelte sie zurück. Ihre Trommelfelle klingelten, als habe jemand direkt neben ihr einen Böller gezündet. Nase und Schleimhäute waren wie betäubt. Sie musste husten, und Tränen schossen ihr in die Augen.
Wenn es ein Blitz gewesen war, so musste er sie um Haaresbreite verfehlt haben. Sie konnte immer noch den Stromstoß spüren, der durch sie hindurchgesaust war.
Nach Luft ringend, wankte sie zurück. Ungläubig starrte sie auf das höllische Szenario ringsumher. Zwischen den Zelten sausten Lichtbögen hin und her, die mit knisternder Spannung die Luft zerteilten. Sie sahen aus wie die Lichtbögen von Plasmakugeln aus dem Souvenirshop. Elmsfeuer züngelten um alles, was aus Metall bestand, und erzeugten einen flimmernden Nachhall auf der Netzhaut.
In diesem Moment fuhr ein Stück weiter entfernt ein weiterer Blitz in einen Baum. Holzstücke flogen herum. Die Luft war mit Ozon erfüllt.
Das war zu viel.
Sie machte kehrt. So schnell sie ihre Beine trugen, rannte sie in den Wald. Sie musste weg hier, und zwar sofort. Den Kopf eingezogen, tauchte sie in das Labyrinth aus Farnen, Gräsern und Bäumen ein. Rannte dorthin, wo die Pyramide lag.
27
B läuliches Halbdunkel hüllte sie ein. Ein Band feinster Bildhauereien, die in ihrer Vollkommenheit den ägyptischen Hieroglyphen in nichts nachstanden, zog sich in einem kompletten Kreis die Wände entlang. Niemals zuvor hatte Ray so eine Vielfalt an vorzeitlichen Darstellungen zu sehen bekommen, nicht mal im British Museum. Er spürte, nein, er
wusste,
dass hier ein Schatz von unermesslichem kulturellem Wert schlummerte – seit Tausenden von Jahren verborgen vor den Augen der Welt.
Die Lichter ihrer Taschenlampen enthüllten eine verblüffende Anzahl figürlicher Darstellungen – ganz anders, als das eher ornamentale Tor vermuten ließ. Die Darstellungen zeigten die Menschen bei allen möglichen Tätigkeiten. Auf der Jagd, beim Bestellen der Felder, beim Wasserholen, beim Feiern von Festen und natürlich beim Verrichten
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