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Korona

Korona

Titel: Korona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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wilden Teepflanze, doch er erkannte sie an dem typischen Muster ihrer Fleecejacke.
    Amy?
Die war doch zum Zeitpunkt des Gewitters gar nicht bei ihnen gewesen. Merkwürdig. Er wollte aufstehen und nachsehen, ob es allen gutging, doch eine Hand hielt ihn zurück.
    »Langsam, mein Freund. Keine ruckartigen Bewegungen, dein Kopf wird es dir danken.« Karl machte kehrt und erblickte den Iren, der schräg hinter ihm auf einem Steinklotz hockte und an einem Grashalm knabberte. Er hockte da im T-Shirt, den Fleecepullover über den Knien.
    »Ray. Na, alles klar?«
    »Mach dir mal um mich keine Sorgen, mir geht’s gut.«
    »Mir nicht. Mein Kopf fühlt sich an, als hätte ich unter einem Presslufthammer gelegen.« Karl drückte die Finger an die Schläfen, zuckte aber mit einem leichten Aufschrei wieder zurück. Seine Haut brannte wir Feuer.
    »Sachte, sachte«, sagte Ray. »Du hast mächtig was abgekriegt. Besonders im Gesicht.«
    »Abgekriegt, was denn?«
    »Einen Sonnenbrand. Wenn ich einen Spiegel hätte, würde ich ihn dir zeigen.«
    Karl runzelte die Stirn. »Einen Sonnenbrand? Wovon denn?«
    »Frag mich nicht, aber es ist so. Bei mir sind’s die Arme, siehst du?« Ray hielt ihm seine Unterarme hin. Die Haut glühte wie Feuer. »Scheinbar sind die Wetterprognosen doch falsch gewesen. Na ja, ein Gutes hat die Sache.« Er deutete in den Wald. »Der Schnee ist weg. Wir haben angenehme zwanzig Grad.«
    Karl war weit davon entfernt zu verstehen, was hier vorgefallen war. »Wie geht’s den anderen?«, fragte er.
    »Soweit ich sehe, alles okay«, sagte Ray. »Die schlafen noch ein wenig. Wird aber nicht mehr lange dauern, bis sie aufwachen.«
    »Und Amy?«
    »Die habe ich ein Stück weiter im Wald gefunden. Lag einfach so auf dem Boden. Vermutlich war sie auf dem Weg zu uns, als das Unwetter sie überraschte.«
    Karl richtete sich mühsam auf und schaute in die Runde. Warm war es geworden, geradezu stickig. Das Laub auf dem Boden und an den Zweigen sah verdorrt aus. Er versuchte aufzustehen, doch ein stechender Schmerz in seinem Kopf ließ ihn zurücksacken. »Himmel, was ist das nur? Einen solchen Kater hatte ich seit Jahren nicht mehr.«
    »Hier, versuch das mal.« Ray warf ihm ein Büschel trockener Gräser zu, die neben ihm lagen.
    Karl streckte seine Hand aus und hob sie auf. Misstrauisch beäugte er die blauen Halme, an deren Enden violette Dolden baumelten. »Was ist das?«
    »Keine Ahnung«, sagte Ray. »Riecht aber gut. Mir hat’s jedenfalls geholfen. Einfach zwischen den Fingern zerreiben und die Nase drüberhalten. Versuch’s mal.«
    Karl griff nach den Pflanzen und hielt sie unter seine Nase. Ein intensiver Geruch nach ätherischen Ölen stieg empor. Er hatte das Gefühl, das Pochen in seinem Schädel würde tatsächlich nachlassen.
    »He, das ist gut«, sagte er, zerrieb etwas davon auf seinen Handflächen und atmete tief ein. Es war, als würde ein samtener Schleier seinen Schmerz betäuben. »Riecht ein bisschen wie Lavendel«, sagte er, und vergrub seine Nase tief in den Blüten. »Was mag das sein?«
    »Keine Ahnung. Ich fand es, als ich mich zum Lager aufgemacht habe.«
    »Wie lange bist du denn schon auf den Beinen?« Genießerisch schnupperte er weiter an der unbekannten Pflanze.
    »Viertelstunde, zwanzig Minuten. So genau kann ich das nicht sagen, meine Uhr ist stehengeblieben.«
    Karl warf einen Blick auf seine Uhr. »Meine auch.« Er klopfte gegen das Gehäuse. Nichts rührte sich. Er hielt sie an sein Ohr und lauschte. Nichts. Absolute Ruhe.
    »Mist«, fluchte er. »Das Teil hat ein Heidengeld gekostet. Na, die werden was zu hören kriegen, wenn ich das zur Reparatur schicke.«
    »Ich glaube, es hat etwas mit dem seltsamen Gewitter zu tun«, sagte Ray. »Ob das ein Garantiefall ist, wage ich zu bezweifeln.«
    Karl sah sich um. Irgendetwas Seltsames war hier geschehen. Bruchstücke von Erinnerungen taumelten durch sein benebeltes Hirn. Ihm war, als habe er kurz vor seiner Ohnmacht ein grelles Licht gesehen, als wäre die Pyramide selbst von einer elektrischen Entladung getroffen worden. Nein, getroffen war nicht das richtige Wort,
durchdrungen
traf es besser. Der Donner hallte immer noch in seinen Ohren und der Widerhall des Blitzes flimmerte auf seiner Netzhaut.
    »Habe ich mir das nur eingebildet oder sind wir tatsächlich in einen elektrischen Sturm hineingeraten?«, fragte er.
    »Also, eine Halluzination war das ganz sicher nicht«, sagte Ray. »Eine bloße Einbildung könnte uns wohl schwer alle

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