Korridore der Zeit
Sprache war unverständlich, aber was tat das? Ein Schwein, das am Spieß briet, sprach mit seinem Duft zu ihnen, ein Mann mit seinem Lachen, die Frauen mit ihrem ganzen Wesen.
Nur im Langhaus herrschte Stille. Dort wohnten die grünen Götter, die ihr Volk befreit hatten. Nahrung und Getränke wurden an die Tür gebracht, und jeder männliche Erwachsene drängte sich nach der Ehre, als Diener oder Bote Verwendung zu finden. Um die Mittagszeit des zweiten Freudentages näherte sich einer von ihnen Lockridge, der den Tänzern auf einer Wiese zuschaute und meldete ihm, daß seine Anwesenheit gefordert würde.
Voll gespannter Erwartung machte er sich auf den Weg. Sorge um Storm hatte ihn davon abgehalten, sich an den Spielen zu beteiligen. Nun erfuhr er, daß Sie ihn zu sich rief. Mit angehaltenem Atem betrat er das Haus. Das Feuer war noch nicht wieder entzündet worden, aber den Einwohnern war versprochen worden, daß Sie diese heilige Handlung vollziehen würde, wenn Sie die Zeit für gekommen hielt.
Sieben Wardens warteten auf den Estraden auf ihre Königin. Sie ließen sich nicht herab, Lockridge zu begrüßen, aber alle erhoben sich, als Storm erschien. Der hintere Teil des Hauses war nun abgeteilt, nicht durch einen Vorhang aus festem Stoff, sondern durch ein Kraftfeld, das verschwenderisch Licht verströmte. Durch dieses Licht kam sie und leuchtete selbst wie eine Flamme neben soviel Dunkelheit. Die drei Tage und Nächte ihres Leidens in der Gefangenschaft hatten sie gezeichnet; die Wangenknochen traten scharf hervor, und die Augen glänzten wie im Fieber. Aber sie hielt sich aufrecht, und das blauschwarze Haar hob sich glänzend von der Blässe ihres Gesichtes und Halses ab. Vom Tor König Frodhis war an Ausstattung herbeigebracht worden, was ihr nach Zeit und Rang zustand. Das durchsichtige blaue Gewand, um die Hüften von dem kupfernen Kraftgürtel gehalten, dann im Farbton zu dunklem Purpur wechselnd und weit und lose bis an die Knöchel fallend, trug silberne Sinnbilder eingewebt. Eine Brosche hielt den Umhangmantel aus grauem Stoff, an der Innenseite weiß gefüttert. Die Schuhe waren aus Gold, mit Diamantenstaub übersät. Ein Halbmond aus gehämmertem Silber krönte ihre Stirn.
Mareth begleitete sie. Er sagte etwas in der Wardensprache. Storms Geste schnitt ihm das Wort ab. »Sprich so, daß Malcolm dich verstehen kann«, befahl sie auf Orugaray. »In der Sprache Kretas. Auch er soll wissen, was du zu sagen hast.«
Sie ging auf Lockridge zu und lächelte, als er sich ungeschickt über ihre Hand beugte, um sie zu küssen. »Ich habe dir noch nicht gedankt für das, was du getan hast«, sagte sie. »Aber es gibt keine Worte, die das ausdrücken könnten. Du hast nicht nur mich gerettet, sondern einen Sieg für unsere ganze Sache errungen.«
»Ich – ich bin froh darüber«, sagte er stockend.
»Nimm Platz, wenn du magst.« Wie ein geschmeidiges Raubtier wandte sie sich von ihm ab. Ihre Schritte waren lautlos. Mit weichen Knien ließ sich Lockridge neben einem Warden nieder, der ihm ehrerbietig zunickte.
Storms Miene wurde lebhaft. »Brann ist lebend in unserer Gewalt«, sagte sie in der klingenden weichen Sprache Kretas. »Was wir von ihm erfahren, versetzt uns in die Lage, für die nächsten tausend Jahre in Europa die Oberhand zu gewinnen. Fahre fort, Mareth.«
Er, der Priester und Zauberer, war stehengeblieben. »Ich begreife nicht, wie du es erduldest, Leuchtende«, sagte er. »Branns Widerstandskraft ist bereits gebrochen. Die Geheimnisse, die jetzt noch tropfenweise aus seinem Mund kommen, werden bald zur Flut werden.«
»Er verstand es, ebensoviel aus mir herauszuholen«, sagte Storm grimmig. »Wäre er in der Lage gewesen von diesen Informationen Gebrauch zu machen – nein, ich will nicht daran erinnert werden.«
Lockridge blickte auf den dunklen Schleier und dann schnell wieder fort. Sein Magen wollte sich umdrehen. Hinter dem Vorhang lag Brann.
Lockridge wußte nicht, was mit Brann geschehen war. Sicher war er nicht gefoltert worden. Storm würde sich dazu nicht hergeben, außerdem wäre es wahrscheinlich sinnlos angesichts des eisernen Willens der Herren der Zukunft und ihrer Ausbildung. Storm war einer Behandlung mit Drogen unterzogen worden; elektrische Ströme hatten ihr Gehirn bis in seine tiefsten Verästelungen abgetastet. Man wollte sie nicht sterben lassen, sondern nur ihr Ego zerbrechen und hatte ihren Gedanken einen gespenstischen Automatismus aufgezwungen, so daß nach
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