Korsar meiner Träume
hältst.«
Claire schäumte vor Wut. Sie konnte nicht glauben, dass Nate die Frechheit besaß, so etwas zu tun.
»Du erwartest von mir, froh zu sein, dass ich den Schatz mit dir teilen muss, wenn du ihn ganz offensichtlich gar nicht brauchst?«
Er schnappte sich die Karte aus ihrer Hand, knurrte, als sie sich reckte, um sie sich zurückzuholen. Er rollte beide Teile auf und reichte sie ihr.
»Falls du diese Karte verstehst und vor mir dorthin kommst, dann gehört der Schatz dir.«
Der Sturm von Gefühlen, der in Claires Innern tobte, machte eine Antwort unmöglich. Wie konnte er es wagen! Wie konnte er es wagen, seinen Reichtum vor ihr heraushängen zu lassen, wo er doch wusste, dass sie nichts besaß. Und er wusste es. Zur Hölle, jeder, der sie ansah, wusste es. Und er hatte die Dreistigkeit, dieses Wissen auch noch gegen sie auszunutzen!
Sollte sie ohne ihn nach dem Schatz suchen? Das würde sie sofort tun, wenn sie es denn könnte, aber sie hatte alles bei dem Kartenspiel verloren. Sie war mittellos. Falls sie Nate losziehen ließ, um den Schatz alleine zu suchen, dann würde er es tun. Er würde ihn behalten, und wo würde sie dann bleiben? Claire stützte sich am Tisch ab, ließ den Kopf hängen. Sie hatte keine Wahl.
Oh, wie sie das hasste.
Arm zu sein war an sich nicht so schlimm. Sie konnte sich selbst ernähren und nach ihren eigenen Regeln leben. Aber von jemandem kontrolliert zu werden, hinterließ bei Claire einen bitteren Geschmack im Mund. Sie hatte ein solches Leben im Waisenhaus gelebt, und noch einmal während ihrer kurzen Ehe. Sie hatte sich geschworen, nie wieder so zu leben und doch – hier war sie nun.
Bei Nate klang es, als ob sie eine Wahl hätte, aber sie beide wussten, die hatte sie nicht. Sie musste entweder ihre Zunge im Zaum halten, um einen Anteil von dem zu erhalten, was ihr ihrer Meinung nach rechtmäßig ganz allein zustand, oder sie würde alles verlieren.
Da gab es keine Wahl, die getroffen werden musste.
»Hast du eine Entscheidung gefällt?«
Geh zur Hölle, dachte sie, und nimm dein ganzes Geld mit dir mit. Sie konnte nicht glauben, dass sie sich gestern Abend sogar noch gewünscht hatte, dass er sie in seine Arme nehmen würde. Nun, diesen Fehler würde sie nicht mehr machen, aber das änderte nichts an der Zwickmühle, in der sie sich befand.
Claire nickte.
»Perfekt«, sagte Vincent, und sein Gesicht war das einzige der drei Gesichter rings um den Tisch, das wenigstens ein bisschen zufrieden aussah.
»Sei dir über eines im Klaren, Claire. Sobald wir uns auf den Weg gemacht haben, gibt es kein Zurück mehr.«
Sie begegnete seinem harten Blick mit einem ihrer eigenen.
»Ich werde sonst nirgendwohin gehen.«
»In Ordnung«, antwortete Nate.
»Lasst uns an die Arbeit gehen.«
8
Es wurde wirklich harte Arbeit und dauerte den ganzen Tag lang und auch den Großteil des darauffolgenden Tages. Vincent und Nate wechselten sich am Steuerruder und an Deck ab. Claire verbrachte die meiste Zeit in Nates Kajüte und versuchte die Karte zu entschlüsseln. Sie schlief weiterhin unter dem Rettungsboot. Sie und Nate hatten eine Art Waffenstillstand geschlossen, solange sie an der Karte arbeiteten, aber das hieß nicht, dass sie sich wohl dabei fühlen würde, in seiner Kajüte zu schlafen, selbst wenn er währenddessen an Deck war.
Es war ganz einfach zu intim, um es auch nur in Erwägung zu ziehen. Nach all diesen Jahren war es ohnehin schon anstrengend genug, so viel Zeit mit ihm zu verbringen, mit ihm zu reden und sich an die Zeiten zu erinnern – trotz ihrer Versuche es nicht zu tun -, die sie miteinander verbracht hatten. In seinem Bett zu schlafen, war etwas, wovon sie so oft geträumt hatte, nachdem er das Waisenhaus mit dem Versprechen verlassen hatte, wieder zurückzukommen. Es würde es schier unmöglich machen, sich gegen diese Erinnerungen zu wehren. Doch sie würde sich gegen sie wehren. Ihnen nachzugeben würde sie bloß schwächen, und das würde sie nicht zulassen.
Die Abenddämmerung war auf der anderen Seite des kleinen Fensters weiter fortgeschritten. Als Nate die dicken Kerzen anzündete, stiegen dünne Rauchspiralen auf. Claire beobachtete sein Gesicht, das vom Schein der Kerze erwärmt zu sein schien, und spürte ein Ziehen in ihrem Bauch. Nein, nein, dachte sie. Nein. Sie zwang ihren Blick wieder zurück zur Karte, doch ihr kam einfach keine plötzliche Inspiration. Es wurde zunehmend schwerer, die Hoffnung nicht aufzugeben, wenn eine solch
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