Kosaken Liebe
schweißverklebten Haaren und einer fast nicht mehr menschlichen Stimme:
»Ehrwürdiger Vater Oleg Wassiljewitsch!« klang es recht unheilig durch den Kirchenraum. »Alexander Grigorjewitsch! Hilfe! Boris Stepanowitsch hat das Fieber! Er erkennt mich nicht mehr! Er fühlt sich an wie ein glühender Ofen! Helft mir!«
Der Kosakenpope erschien mit bloßem Oberkörper, nur mit einer Hose bekleidet, hinter der Ikonostase und gab der Frau, die ihm folgte, eine so kräftige Ohrfeige, daß sie sofort wieder hinter den Heiligenbildern verschwand. Von der anderen Seite stürzte Lupin in den Kirchenraum, die weißen Haare noch vom Schlaf zerwühlt.
»Boris Stepanowitsch stirbt mir unter den Händen!« schrie Muschkow. »Er redet schon irre!«
»Bete!« befahl der Pope kategorisch. »Er hat gestern zu lange schutzlos im Frost gestanden! Ohne Pelz auf einem Renhirschrücken! Das hat ihm die Lunge vereist! Laßt uns die Totenklage singen, Brüder!«
»Er darf nicht sterben!« brüllte Muschkow. »Jermak hat schon die besten Feldschere kommen lassen, aber sie wissen keinen Rat. Wunden können sie flicken, aber gegen das Fieber haben sie nichts! Alexander Grigorjewitsch, was gibt man Pferden, wenn sie Fieber haben?«
»Ich hole die Medizin!« rief Lupin und rannte in seine Kammer. Das Fieber, dachte er und spürte, wie ihn die Sorge taumeln ließ. So schweinisch der Pope auch ist … in einem hat er recht: Wenn sich die Kälte in die Lungen gefressen hat,wenn die Lunge entzündet ist, werden wir hilflos zusehen müssen, wie Marina uns unter den Händen stirbt. Marinuschka, sie werden uns zusammen begraben … Was soll ich noch auf der Welt ohne dich?
Im Hause des Fürsten Jepantscha saß Jermak mit düsterer Miene neben Marinas Bett und starrte ins Leere. Zwei Feldschere standen an der Wand, und ihre Hilflosigkeit hatte ihren sichtbaren Ausdruck in zwei Beulen, die auf der Stirn prangten. Jermak hatte sie mit einem Knüppel geschlagen, als sie sagten: »Wir können nichts mehr tun.«
»Hat ihn jemand berührt?« schrie Muschkow, als er ins Zimmer stürzte. Das war seine zweite große Sorge, als er Lupin zu Hilfe holte: Wenn die Feldschere die Uniform aufgeknöpft hatten, um das Herz abzuhorchen, wußte man jetzt, daß Boris ein Mädchen war. Aber so, wie Jermak vor dem Bett hockte und die Feldschere mit ihren Beulen an der Wand standen, hatte es nicht den Anschein, als ob das Geheimnis gelüftet worden wäre.
Muschkow atmete tief auf und betrachtete Marina, die mit starren, offenen Augen dalag und vor sich hinmurmelte. Der Atem pfiff aus ihrem Mund, als habe sie einen Schneesturm verschluckt.
»Die Lunge …«, sagte Lupin tonlos. »Mein Gott, es ist tatsächlich die Lunge! Gott habe Erbarmen mit uns allen!«
Er stellte seine Ledertasche mit der Pferdemedizin auf den Boden, beugte sich über seine Tochter und sah sie an. Sie erkannte ihn nicht … ihre glasigen Augen blickten in eine andere Welt.
»Hinaus!« befahl Lupin heiser. »Alle hinaus!«
»Warum?« stotterte Muschkow.
»Hinaus!« schrie Lupin. »Ich muß allein sein!«
Jermak stand wortlos auf, packte Muschkow am Ärmel und zerrte ihn zur Tür. Die beiden Feldschere folgten ihnen fluchtartig, ihre Beulen wuchsen zusehends. Die Lunge, dachten sie. Boris Stepanowitsch wird den morgigen Tag nicht mehr sehen. Das Fieber wird sein Herz und seine Lungen zersprengen. Man kann doch nichts mehr machen, wenn die Lungen entzündet sind! Jermak Timofejewitsch, suche dir einen neuen Adjutanten …
Die Tür klappte zu. Lupin schob eine Truhe davor und begann, sein Töchterchen auszuziehen. Er knöpfte die Kosakenbluse auf, entblößte ihre Brust … Er sah ergriffen, wieviel Schönheit er gezeugt hatte, was aus seinem Blut geworden war …
Er legte sein Ohr auf Marinas Herz und hörte es wie toll hämmern. Ihre weiße Haut war heiß, als sei sie in einem Ofen gebacken worden, und wenn sie atmete, schnell und zuckend, rasselte und pfiff es in ihrem Inneren.
Es klopfte an die Tür. Lupin fuhr hoch und zog schnell die Decke über Marina.
»Was machst du mit ihm?« schrie Muschkow verzweifelt von draußen. »Ich höre nichts …«
»Soll ich die Krankheit wegsingen, du Idiot?« schrie Lupin zurück.
»Hast du ihn untersucht?«
»Nein, ich spiele Schach mit ihm!« brüllte Lupin.
Muschkow fluchte, er gebrauchte Ausdrücke, die einen Christenmenschen ohne Umwege in die Hölle führen mußten, und hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür. »Wenn er stirbt, bringe ich
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