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Kostas Charistos 5 - Faule Kredite

Kostas Charistos 5 - Faule Kredite

Titel: Kostas Charistos 5 - Faule Kredite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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auflösen.«
    Zwar reagiere ich nicht darauf, doch Adrianis erste spitze Bemerkung nach Tagen des Schweigens ist für mich ein Grund zur Freude.
    Das Ministerinterview und die Kommentare der Journalisten sind bloß die Vorspeise. Darauf folgt der Hauptgang: die Finanzkrise und die endlosen Diskussionen mit den Parteifunktionären, den Gewerkschaftsbossen und diversen selbsternannten Experten. Da jeden Abend das Gleiche serviert wird, schmeckt das alles wie Kantinenfraß. Doch an diesem Abend wird uns eine Nachspeise der Spitzenklasse geboten.
    »Und nun, sehr geehrte Zuschauer, freuen Sie sich mit mir auf ein Gespräch mit Henryk de Moor, der die Dinge beim Namen nennen wird. Herr de Moor zählt zu den Führungskräften der Ratingagentur Wallace & Cheney. Zurzeit befindet er sich in Griechenland, um sich ein Bild von der Lage der griechischen Wirtschaft zu machen. Wie Sie sich bestimmt erinnern, gehörte die Ratingagentur Wallace & Cheney zu den Ersten, die griechische Staatsanleihen als Junk-Bonds, also Schrottanleihen, einstufte.«
    Die Totale zeigt den Kommentator, die Moderatorin und einen Mittvierziger mit schwarzem Haar und Kinnbart. Er trägt einen schlichten grauen Anzug, der ihm - vom Sakko her zu schließen - ein wenig zu weit ist, ein dunkelblaues Hemd und eine gestreifte Krawatte.
    »Herr de Moor, Ihre Agentur hat als eine der ersten die Kreditwürdigkeit Griechenlands auf Junk-Niveau heruntergestuft;«, eröffnet die Moderatorin das Gespräch. »Heute Abend haben Sie die Gelegenheit, diese Einschätzung persönlich zu erläutern.«
    De Moor lächelt ihr liebenswürdig zu. »Zunächst einmal möchte ich Folgendes sagen: Ganz im Gegensatz zur weitverbreiteten Meinung ist das Aufnehmen eines Kredits nichts Schlimmes.« Er spricht Englisch, und ich lese die Untertitel mit der griechischen Übersetzung. »Als Kreditnehmer kann man mit fremdem Kapital das Weiterfunktionieren eines Geschäfts, eines Betriebs oder auch eines ganzen Landes finanzieren. Und die Kreditgeber ziehen Gewinn aus dem verliehenen Kapital. Das Ganze ist also ein ausgeglichenes Geschäft. Die Probleme beginnen dort, wo der Kreditnehmer das Geld nicht mehr zurückzahlen, den Kredit also nicht mehr bedienen kann. In so einer Lage befindet sich derzeit Griechenland, und an diesem Punkt müssen wir handeln. Wir sagen den Kreditgebern: >Passen Sie auf, wenn Sie diesem Unternehmer oder diesem Land Kredit geben, ist das Risiko hoch, dass Sie Ihr Geld nicht zurückbekommen.< Und das war eben unsere Einschätzung von Griechenland: Nach den uns vorliegenden Daten war abzusehen, dass Ihr Land seine Schulden nicht tilgen kann.«
    »Aber Griechenland hat auf Druck des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Union eine Reihe einschneidender Maßnahmen ergriffen«, meint der Nachrichtenkommentator. »Und dieses Sparprogramm ist für die griechische Gesellschaft unglaublich schwer zu schultern.«
    De Moor wirft ihm einen sarkastischen Blick zu. »Für die Gesellschaft?«, wiederholt er lachend. »Welche Gesellschaft? Europa hat die >Gesellschaft< erst nach dem Zweiten Weltkrieg entdeckt - und das auch nur unter dem Eindruck des Kommunismus. Da die Ostblockstaaten ständig über die >Gesellschaft< geredet haben, hat auch der Westen den Begriff übernommen, um die Ausbreitung des Kommunismus zu verhindern. Im Jahr 1989 sind diese Gesellschaften zusammengebrochen, Herr Galanopoulos, und, glauben Sie mir, es ist nicht schade drum.«
    Seine Miene wird wieder ernst, und er fährt fort: »Es gibt keine Gesellschaften, Herr Galanopoulos, es gibt nur einzelne Gruppierungen: Unternehmer, die ihre Interessen verteidigen, und Arbeitnehmer, die - vertreten durch Gewerkschaften und andere Organisationen - genau das Gleiche tun. Es gibt nur Interessengruppen, der Begriff Gesellschaft ist eine Erfindung.«
    »Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die wirtschaftlich Schwachen die größte Last tragen müssen.«
    »Entschuldigen Sie, aber ich finde es ganz normal, dass diejenigen, die am meisten investieren, Firmen gründen und Arbeitsplätze schaffen, auch mehr verdienen. Ob es uns gefällt oder nicht, die Mächtigen sind es, von denen neue Impulse ausgehen, und gibt es keine neuen Impulse, sind die Schwachen zuerst betroffen. Andererseits müssten die Großverdiener auch die höchsten Steuern bezahlen. Griechenland hat jedoch kein effizientes Steuersystem. Zum einen verlangt man, dass die produktiven und finanziell erfolgreichen Gruppen ihre Gewinne

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