Kostas Charistos 5 - Faule Kredite
prinzipiell foltern. Kein Migrant wird in diesem Land gefoltert. Und wissen Sie, warum? Weil wir wegen des Sparprogramms mittlerweile selbst zu den armen schwarzen Schluckern gehören.«
»Was soll die Geheimniskrämerei? Nennen Sie mir die belastenden Fakten, und ich ändere meine Meinung.«
»Ich kenne sie doch auch nicht.«
»Sehen Sie? Sie halten sich genauso bedeckt wie die anderen.«
»Sotiropoulos, das ist ein Fall für die Antiterrorabteilung. Ich habe damit nichts zu tun. Wenn Sie etwas wissen wollen, müssen Sie sich an Stathakos wenden.«
»Mit Stathakos komme ich auf keinen grünen Zweig. Was soll denn überhaupt das ganze Gefasel über Terror? Das ist doch blanker Unsinn. Terroristen haben eine Ideologie. Die handeln nicht gegen Bezahlung, und schon gar nicht für mickrige fünfzigtausend Euro.«
»Aber wenn es kein Terroranschlag ist, was ist es dann?«
»Geldwäsche. Da mischen auch die Banken kräftig mit, weil es um große Summen geht. Sie werden schon sehen, dass ich recht behalte.«
Da er nichts aus mir herausgekriegt hat, wirft er wütend die Tür hinter sich ins Schloss. Im Grunde müsste ich ihm dankbar sein, denn mit seiner Bemerkung zur ideologischen Motivation von Terroraktionen hat er mir die Augen geöffnet. Doch derartige Gefühlsduseleien sind zwischen uns unmöglich.
18
Zu Hause erwartet mich eine erfreuliche Überraschung: Adriani sitzt vor dem Fernseher, und die Jalousien im Wohnzimmer sind hochgezogen - ein deutliches Zeichen dafür, dass wir zur Normalität zurückkehren. Doch ich folge Fanis’ Rat und gehe nicht näher darauf ein.
Adriani hingegen sieht sich zu Erklärungen gezwungen. »Nach Einbruch der Dunkelheit habe ich die Jalousien hochgezogen.«
»Und wie fühlst du dich?«, frage ich sie, während ich mich neben sie aufs Sofa setze.
»Warten wir erst mal ab bis morgen früh.«
Den Schlusspunkt setzt ein langgezogener Seufzer, womit sich Katerinas Theorie bestätigt, dass stummer Protest Adrianis Weg der Selbsttherapie ist.
Gerade läuft die Pressekonferenz des Polizeipräsidenten im Fernsehen. Normalerweise schaue ich mir denselben Film nicht zweimal an, und schon gar nicht am selben Tag. Aber ich bleibe sitzen, um Adriani Gesellschaft zu leisten. Meine guten Absichten werden belohnt, weil ich zwei neue Denkanstöße erhalte. Der erste ergibt sich aus dem Gespräch des tv-Korrespondenten mit der Moderatorin.
»Er hat zwar von Belastungsmaterial gesprochen, ist aber nicht näher darauf eingegangen«, kommentiert der Korrespondent. »Das lässt nun einige Fragen offen, Anna.«
»Die Verdachtsmomente hat er offenbar deshalb nicht genannt, weil die Vernehmungen noch im Gange sind«, wendet die Moderatorin ein.
»Richtig, Herr Stathakos, Leiter der Antiterrorabteilung, hielt sich nicht so bedeckt.«
»Hat Herr Stathakos konkrete Fakten genannt?«, fragt die Moderatorin.
»Erstens hat er keinen Zweifel daran gelassen, dass ein hinreichender Tatverdacht vorliegt. Und zweitens hat er von einer Signatur gesprochen, die der Mörder bei seinen Opfern hinterlässt: ein Blatt mit dem Buchstaben >D< in lateinischer Schrift.«
Ich kann mir gut vorstellen, dass dem Polizeipräsidenten dieser Kommentar sauer aufstößt. Da möchte ich lieber nicht in Stathakos’ Haut stecken. Die zweite Überraschung ist ein aufgezeichnetes Telefongespräch mit dem Minister, in dem dieser sich noch diffuser äußert als der Polizeipräsident.
»Wir alle wollen, dass der Täter gefasst wird«, sagt er zur Moderatorin. »Doch wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen. Die Untersuchungen sind noch im Gange, und zwar mit noch ungewissem Ausgang. Daher dürfen wir keine Erwartungen wecken, die sich dann nicht erfüllen.«
»Was meinen Sie, Renos?«, fragt die Moderatorin den Nachrichtenkommentator.
»Offenbar sind der Polizei Sachverhalte bekannt, die für eine Festnahme Bill Okambas eigentlich nicht ausreichen. Daher glaube ich, dass der Minister und die Polizei gut daran tun, mit ihren Verlautbarungen zurückhaltend zu sein. Die Sache hat jedoch noch einen anderen Aspekt.«
»Und welchen?«, fragt die Moderatorin.
»Es besteht die Gefahr, dass der Täter Anhänger in der Öffentlichkeit gewinnt. Vergessen wir nicht, dass die Menschen aufgrund der Krise derzeit nicht gut auf die Banken zu sprechen sind.«
»Ganz recht«, bemerkt Adriani. »Nicht mehr lange, und ihr müsst die Sondereinheiten auf die Straße schicken und Solidaritätskundgebungen für den inhaftierten Mörder
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