Kostas Charistos 5 - Faule Kredite
überlassen.«
Sein leidenschaftlicher Tonfall beeindruckt weder Gikas noch mich, denn solche Ausbrüche erleben wir jeden Tag.
»Woher wollen Sie wissen, ob Bill Okamba in der Vergangenheit nicht doch mit der Polizei zu tun hatte und vorbestraft ist?«, fragt Gikas. Er sucht einen Augenblick lang nach der passenden Formulierung. »Wissen Sie, manchmal wandern die Menschen lieber in ein anderes Land aus, wenn sie Probleme mit der Polizei in ihrer Heimat haben. Einfach, um ihre Ruhe zu haben. Das könnte der Grund dafür sein, dass Bill Okamba von Südafrika nach London zog.«
»Bill hat eine blütenweiße Weste, und er hatte niemals etwas mit der Polizei zu tun. Dafür verbürge ich mich. Außerdem hat die britische Polizei vor zwei Tagen seine Familie in England befragt, und dabei ist nicht das Geringste zutage gekommen. Auch dafür verbürge ich mich, weil einer unserer Anwälte mit Scotland Yard Kontakt aufgenommen hat.«
Gikas und ich wechseln einen Blick, und offensichtlich denken wir dasselbe. Keiner von uns beiden bezweifelt, dass Stathakos über die Vernehmung der Familie Okamba in London Bescheid wusste. Doch er hat Gikas übergangen, weil er den direkten Draht zum Polizeipräsidenten bevorzugt.
Gikas wird plötzlich ungeduldig. »Nun, Herr Sissimopoulos, Kommissar Charitos wird mit Ihnen, sozusagen inoffiziell, in Kontakt bleiben. Wenn sich bei den Ermittlungen etwas Interessantes ergibt, wird er Sie benachrichtigen.«
»Vielen herzlichen Dank«, sagt Nick Sissimopoulos erfreut. Er zieht seine Visitenkarte aus dem Portemonnaie.
»Mobil können Sie mich immer erreichen.« Zunächst drückt er Gikas, dann mir die Hand und verlässt das Büro.
Kaum schließt sich die Tür hinter ihm, ist Gikas auch schon am Telefon. »Zufällig erfahre ich gerade, dass die Familie Okamba von Scotland Yard vernommen wurde.« An seiner Miene ist abzulesen, dass er mit Stathakos spricht. Er wartet zunächst die Antwort ab, dann kanzelt er ihn ab: »Und weshalb bin ich nicht auf dem Laufenden? Ich möchte, dass man mir die Akte mit der Vernehmung vorlegt, und zwar auf der Stelle!«
Auch wenn ich mich klammheimlich freue, dass Stathakos eine Abreibung kriegt, so habe ich doch keine Lust, mich bei Gikas als gehorsamer Untergebener einzuschmeicheln, dafür hat er mich schon zu viele Spießrutenläufe absolvieren lassen.
»Wenn sich aus dem Kontakt zu Sissimopoulos noch etwas ergibt, gebe ich Ihnen Bescheid«, sage ich und gehe zur Tür.
Koula beugt sich gerade über ihre Unterlagen. »Und wie läuft’s, Koula?«, frage ich sie in dem freundschaftlichen Ton, der zwischen uns üblich ist.
Sie hebt den Kopf und blickt mich düster an. »Gar nicht gut, Herr Kommissar.«
»Ja, was ist denn passiert?«, frage ich überrascht.
»Haben Sie von dem neuen Gesetzesentwurf zur Sozialversicherung gehört?«
»Ja, die Renten werden gekürzt.«
Sie wiegt den Kopf. »So kann nur ein Mann antworten, Herr Charitos. Es werden nicht nur die Renten gekürzt. Auch wir Frauen müssen jetzt vierzig Arbeitsjahre nachweisen, und das alles für eine zusammengestrichene Rente. In diesen vierzig Arbeitsjahren soll ich heiraten, Kinder kriegen, betreuen und aufziehen und gleichzeitig weiterarbeiten, bis ich sechzig bin. Verstehen Sie, was für ein Marathon mir bevorsteht? Leichter wäre es, die Alpen zu überqueren oder den Himalaja zu besteigen.«
»Hm, da haben Sie recht«, erwidere ich unschlüssig.
»Und all das im Namen der Gleichstellung von Mann und Frau. Was denn für eine Gleichstellung, bitte schön! Erst wenn die Männer schwanger werden, sind wir gleichberechtigt. Haben Sie schon einen Mann gesehen, der ein Kind auf die Welt bringt und stillt? So etwas habe ich nur einmal in einem Film mit Arnold Schwarzenegger gesehen. Und soll ich Ihnen etwas sagen? Früher waren Mann und Frau wirklich auf Augenhöhe. Da hatten die Männer die Sorge für den Unterhalt der Familie und die Frauen die Sorge für Haushalt und Kinder. So waren die Lasten halbwegs gerecht verteilt. Jetzt heißt es, beide tragen gemeinsam die Verantwortung, und an den Frauen bleibt alles hängen: Schwangerschaft, Mutterschaft und als Bonus das Stillen.«
Sie hat mich mundtot gemacht, weil mir zum einen kein Einwand einfällt und weil ich sie zum anderen nicht noch mehr aufbringen möchte. Doch meine Zurückhaltung ist vergeblich, da Koula nun richtig in Fahrt gekommen und nicht mehr zu bremsen ist.
»Wissen Sie, was mich am meisten aufregt?«, fährt sie fort. »Wenn
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