Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
öffnen, und stopft ihm mit der anderen Hand die Pille tief in den Rachen.
»Es ist meine Pflicht, dir die Pille zu verabreichen«, sagt sie, während sie ihm den Mund zuhält. »Ob du sie nun trocken runterschluckst oder mit Wasser oder wieder ausspuckst, ist mir wurscht. Meine Pflicht habe ich getan.«
Sie läßt Kostaras los, packt den Rollwagen und entfernt sich damit. Kostaras verschluckt sich fast und ringt nach Luft. Ich fürchte schon, daß er mir abkratzt, bevor ich ihn fragen kann, was ich wissen möchte. Auf einem Tischchen sehe ich eine Karaffe und ein Glas. Ich fülle es mit Wasser und gebe ihm zu trinken. Anfangs spuckt er es hustend wieder aus, doch nach ein paar Versuchen gelingt es ihm, die Flüssigkeit runterzuschlucken. Er hat sich einigermaßen erholt, nur seine Atemzüge sind noch keuchend.
»Das können sie einem Kostaras doch nicht antun, verdammt noch mal«, keucht er. »Du hast mich miterlebt und kennst dich aus. Es hat Angehörige der Nationalen Volksfront und der griechischen Volksbefreiungsarmee gegeben, die lieber erschossen werden wollten als mir in die Hände zu fallen. Viele Kommunisten haben mich auf Knien angefleht, sie umzubringen. So kann man sich einem Kostaras gegenüber nicht verhalten.«
Tränen laufen aus seinen Augen, aber mich interessiert einzig und allein, daß er mir nicht einschläft, bevor ich ihm die gewünschten Informationen entlockt habe.
»Da wir gerade von Volksfront und Volksbefreiungsarmee reden: Sind Sie, Herr Kostaras, vor Ihrem Eintritt in den Polizeidienst bei den Sicherheitsbataillonen gewesen?«
Gerade war er noch am Boden zerstört, doch nun richtet er sich plötzlich zu voller Größe auf, und seine Tränen trocknen auf der Stelle. »Was hast du mit den Angehörigen der Sicherheitsbataillone zu tun?« fragt er argwöhnisch.
»Ich persönlich? Gar nichts. Aber wir haben da einen Mörder, der mit einer Luger-Pistole aus den Kriegsjahren zuschlägt -«
»Eine tolle Waffe, die Luger«, bemerkt er, fast träumerisch. »Unheimlich griffig lag die in der Hand. Und dieser schmale Lauf. Sah aus wie eine Spielzeugpistole, aber eine einzige Kugel war tödlich.«
Ich versuche, seine Begeisterung zu nutzen, da ich weiß, daß ihn bald entweder der Zorn oder der Schlaf übermannen wird. »Der Täter ist ein junger Mann, aber er muß die Waffe von einem Älteren bekommen haben, weil keine Luger-Pistolen aus dieser Zeit mehr im Umlauf sind. Wir wissen, daß die Deutschen die Sicherheitsbataillone mit solchen Waffen ausgerüstet haben -«
Da springt er auf. »Es gibt keine Angehörigen der Sicherheitsbataillone mehr!« schreit er außer sich. »Die Kommunisten haben uns alle bei Meligalas liquidiert. Nur zwei, ich und ein anderer, haben überlebt, weil wir unter den Toten lagen und sie nicht merkten, daß wir noch am Leben waren.« Nach der langen Rede stockt ihm der Atem.
»Genau das sage ich auch. Einige von den Überlebenden haben möglicherweise ihre Pistolen aufbewahrt.«
Er beugt sich zu mir und sagt vertraulich: »Ich habe sie mir aufgehoben. Natürlich nicht hier, ich bin ja nicht blöd. Ich habe sie an einem sicheren Ort verwahrt.« Nun lächelt er zufrieden.
Sollte Kostaras der Mittäter sein? frage ich mich. Nicht auszuschließen, aber nicht sehr wahrscheinlich. Einerseits weil ich es ihm in seinem Zustand nicht zutraue, andererseits weil er mir dann kaum sagen würde, daß er seine Luger aufbewahrt hat.
»So wie Sie könnten auch andere ihre Waffe versteckt haben, Herr Kostaras«, sage ich mit gespielter Ehrfurcht, die seine Arroganz, wie ich von früher weiß, ins Unermeßliche steigert. »Und einer von denen, die ihre Luger aufgehoben haben, leiht sie einem jungen Mann, der damit tötet.« Ich setze noch eine Schleimerei obendrauf. »Einzig und allein aus diesem Grund bin ich zu Ihnen gekommen: weil Sie ein fähiger Polizist sind.«
»Bringt der Täter Kommunisten um?« fragt er mich.
»Nein. Er bringt Werbefachleute und Models, die in der Werbebranche arbeiten, um.«
Wieder springt er auf. »Scher dich fort!« schreit er. »Die Angehörigen der Sicherheitsbataillone sind gute Landsleute, keine Mörder! Niemals würden sie unschuldige Griechen umbringen!«
»Er tötet nicht selbst, Herr Kostaras, sondern ein junger Mann. Man kann nicht ausschließen, daß der ihm die Pistole gestohlen hat. Deshalb suchen wir ihn.«
Anstelle einer weiteren Antwort hebt er den
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