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Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Titel: Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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kann mich nicht entscheiden.«
      »Erlauben Sie, dass ich für Sie die Auswahl treffe?«, fragt er, und dann bestellt er auf Türkisch beim Kellner, der in unserer Nähe gewartet hat.
      »Gute oder schlechte Neuigkeiten?«, fragt er, sobald wir Platz genommen haben.
      »Schlechte. Kennen Sie eine gewisse Kalliopi Adamoglou?«
      Er denkt nach. »Nein, der Name sagt mir nichts.«
      »Sie wurde in ihrer Wohnung in Bakirköy ermordet aufgefunden.«
      »In Makrochori?«, meint er überrascht, nicht weil er mich verbessern möchte, sondern weil ihm der bei der griechischen Minderheit gebräuchliche Ortsname geläufiger ist. »Und woher wollen Sie wissen, dass es Maria war? Es kann jeder gewesen sein, vom Einbrecher über den Nachbarn, der scharf auf die Wohnung war, bis hin zu den Grauen Wölfen.«
      »Seit wann morden die Grauen Wölfe mit Pflanzenschutzmittel?«
      Weitere Erläuterungen erübrigen sich. »Schon wieder das Pestizid?«, murmelt er vor sich hin.
      »Deshalb hat mich die türkische Polizei verständigt. Dieses Pflanzenschutzmittel ist keine übliche Tatwaffe wie ein Revolver oder ein Küchenmesser. Es wird auch Schwiegermuttergift genannt und ist typisch für die griechische Provinz - wer weiß, vielleicht wird es auch in Sizilien eingesetzt, aber das entzieht sich meiner Kenntnis. Doch sogar in der griechischen Provinz kommt es nur mehr selten zum Einsatz, und wenn, dann nur durch so alte Leute wie Maria.«
      Der Kellner stellt eine Platte mit in Öl gekochten Gemüsegerichten vor mich hin, wobei die Auswahl von Okraschoten und grünen Bohnen bis hin zu Artischocken und gefüllten Krautrouladen reicht. »Um Himmels willen, wer soll das alles essen?«, frage ich Vassiliadis, obwohl mir klar ist, wer die Portion bewältigen wird.
      »Es ist nicht viel, außerdem ist die türkische Küche sehr bekömmlich.« Plötzlich fragt er mich besorgt: »Macht es Ihnen was aus, dass die Speisen kalt serviert werden?«
      »Nein, wie kommen Sie darauf?«
      »Weil man in Griechenland die Gemüsegerichte immer heiß isst. Vierzig Jahre lebe ich schon dort, aber ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt, dass die Griechen das Gemüse aufgewärmt servieren. Da bestellt man im Hochsommer ein Gemüsegericht, doch statt dass es einen erfrischt, bekommt man einen Schweißausbruch.«
      Es tritt eine längere Pause ein, da ich den Übergang vom kulinarischen Genuss zur prosaischen Wirklichkeit bewältigen muss. Zum Glück ist auch Vassiliadis mit einem Stück Lammfleisch mit Reisbeilage beschäftigt, so dass meine Zügellosigkeit nicht auffällt.
      »Sagt Ihnen die Gegend Makrochori etwas? Können Sie sich erinnern, ob Maria je davon gesprochen hat?«
      Er denkt nach. »Sie selbst nicht, aber ich erinnere mich aus Erzählungen meiner Mutter, dass ein paar von Marias Tanten mütterlicherseits in Makrochori wohnten. Doch sie hatte jeden Kontakt zu ihnen abgebrochen, sie wechselten kein Wort mehr miteinander.« Traurig schüttelt er den Kopf. »Leider ist meine Mutter verstorben. Sie hätte Marias ganze Geschichte gewusst.«
      »Fällt Ihnen vielleicht aus ihren Erzählungen noch etwas anderes ein?«
      »Nein, Herr Kommissar. Als kleiner Junge war ich oft dabei, wenn die Frauen miteinander plauderten. Jeden Nachmittag ab sechs Uhr saßen sie - meine Mutter, Maria und Frau Chariklia - auf dem Mäuerchen vor dem Haus oder auf dem Diwan und haben sich gegenseitig Geschichten erzählt. Manchmal haben sie beim Blätterteigrezept der Nachbarin von gegenüber angefangen und sind schließlich bei Marias Cousins und Cousinen in Makrochori oder bei Chariklias Eltern im Schwarzmeergebiet gelandet. Oder ein zufälliger Passant wurde zum Ausgangspunkt einer Erzählung aus Kappadokien.« Er seufzt leise und schüttelt den Kopf. »Manchmal denke ich, diese Geschichten von Maria, Frau Chariklia und meiner Mutter haben aus mir einen Schriftsteller gemacht. Im Vergleich dazu kamen mir Märchen langweilig vor.«
      »Wenn Ihnen etwas einfällt, rufen Sie mich bitte an.«
      »Selbstverständlich, aber das ist ziemlich unwahrscheinlich.«
      Doch ich weiß nun, dass es eine schwache Hoffnung gibt, doch noch mehr zu erfahren. Und mit diesem beruhigenden Gedanken wende ich mich dem Rest meines Gemüsegerichts zu.
     
     

* 10
     
    Alle sind sie in der Cafeteria versammelt und beteiligen sich an einer erregten Diskussion. Dabei führt der Feldherr a.D. das große Wort und versucht, die

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