Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau
und sehe, wie weiter hinten der Bosporus ins Schwarze Meer übergeht.
Als mein Handy klingelt, bin ich dermaßen sicher, Murat in der Leitung zu haben, dass ich die Nummer auf dem Display gar nicht beachte. Ich melde mich mit einem knappen »Yes«.
»Sind Sie es, Herr Kommissar?«, höre ich eine Männerstimme auf Griechisch sagen.
Diesmal antworte ich mit einem »Ja«, wobei mir nicht ganz klar ist, ob ich erleichtert oder enttäuscht sein soll.
»Markos Vassiliadis am Apparat. Kommt mein Anruf ungelegen?«
Ich entferne mich ein paar Schritte von Adriani und der Kourtidou, um ungestört sprechen zu können. »Ganz und gar nicht, Herr Vassiliadis.«
»Ich wollte nur wissen, ob es etwas Neues gibt.«
»Ja, aber nur Unerfreuliches.« Und ich lege ihm in groben Zügen dar, was sich seit unserem letzten Treffen zugetragen hat.
»Und Sie haben sie immer noch nicht aufgespürt?«
»Nein, leider konnten wir sie noch nicht ausfindig machen. Zurzeit sind wir auf der Suche nach dieser türkischen Familie und hoffen inständig, dass wir das Schlimmste verhindern können.«
Er seufzt und dankt mir, und dann seufzt er noch einmal, bevor er auflegt und ich zu meinen Begleiterinnen zurückkehre.
»Morgen Abend sind wir eingeladen«, sagt Adriani zu mir. »Frau Kourtidou gibt ein Abendessen.«
»Wir wollen aber keine Umstände machen«, wende ich sofort ein, um die Form zu wahren.
»Das macht mir keine Mühe. Theodossis, mein Mann, ist gestern aus Deutschland zurückgekehrt, und wir freuen uns sehr auf ein gemeinsames Essen, damit auch er Sie kennenlernen kann. Es kommen auch noch ein paar Freunde.«
»Nur die Adresse bräuchten wir«, meint Adriani.
»Nicht nötig. Theodossis holt Sie auf dem Nachhauseweg von seiner Arbeit ab. Passt es Ihnen so gegen acht?«
»Wunderbar«, versichert ihr Adriani.
Das Schiff hat die Rückfahrt angetreten. Gemächlich fährt es am Ufer entlang, zwischen Kuttern, auf denen jeweils immer zwei Fischer ihre Netze auswerfen. Kurz danach legt es in der Nähe der großen Festung am europäischen Ufer an.
Murats Anruf erreicht mich schließlich, als wir uns Mega Revma nähern und ich vom Schiff aus die Fischtaverne Efthalia erkennen kann, wo wir vor einigen Tagen zum Essen waren.
»What news?«, frage ich und mache erst gar nicht den Versuch, meine Angst zu verhehlen.
»No news, good news«, entgegnet er heiter.
»Und was heißt das? Dass ihr sie noch nicht gefunden habt?«
»Wir wissen jetzt: Es handelt sich um die Familie Tayfur. Sie wohnt nicht mehr in Cihangir, sondern in einem entlegenen Viertel namens Esentepe.«
»Und?«
»Scheinbar ist nichts vorgefallen. Wir haben beim Polizeirevier der Gegend nachgefragt, und dort wurde nichts gemeldet. Also müssen wir annehmen, dass Maria entweder gar nicht dort war oder ihre Adresse noch nicht in Erfahrung gebracht hat. Für alle Fälle habe ich beim Polizeirevier eine diskrete Überwachung des Wohnhauses veranlasst. Sowie eine alte Frau auftaucht, auf die Chambous Beschreibung passt, wird sie unverzüglich festgenommen.«
»Haben Sie mit der Familie schon gesprochen?«
»Nein. Ich möchte sie gemeinsam mit Ihnen besuchen. Sie haben mir zwar berichtet, was Sie von der Istanbuler Griechin erfahren haben, aber mir ist lieber, Sie sind auch dabei, weil Sie sich in der Sache besser auskennen und Ihnen möglicherweise Dinge auffallen, die mir entgehen könnten. Wo sind Sie gerade?«
»Ich mache eine Bosporusrundfahrt.« Nach einem Blick auf das Schild am Pier, dem wir uns gerade nähern, sage ich: »Wir sind auf dem Weg zurück zum Hafen und gerade an einer Haltestelle namens Arnavutköy.«
»Schön, ich hole Sie mit einem Streifenwagen ab. Sollte ich noch nicht da sein, warten Sie bitte.«
Erleichtert setze ich mich auf meinen Platz. Nun, da ich einigermaßen beruhigt bin, kann ich wenigstens auf der Rückfahrt die Aussicht und die milde Brise genießen.
* 26
Erneut unternehme ich eine Bosporustour, nur diesmal auf dem Landweg und am Westufer entlang - und in einem Streifenwagen. Wir passieren die Landungsbrücke für die Katamarane, dann den Dolmabahse-Palast und gelangen zu einem zweiten, kleineren Palast, der zu einem Hotel der Sonderluxusklasse umgebaut wurde und vorwiegend Unternehmer - die Sultane der Moderne - beherbergt.
»Sollte es noch einen Mord geben, bestehe ich darauf, Chambous Fotografie in
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