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Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman

Titel: Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Fraser
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umflatterten sie wild, während wir unten am Tamarama Beach barfuß durch den Sand wanderten. Wir blieben stehen und schauten aufs Meer hinaus. Als Mädchen war ich hier geschwommen, hatte mit meinen Freundinnen getaucht, und wir hatten uns am Seetang festgehalten, während die Wellen über uns hinwegrollten.
    »Heirate mich, Annie, heirate mich!«
    Also sprangen wir am nächsten Tag in den Bus und fuhren in das Stadtviertel The Rocks, vorbei am Quay, an Fähren und Touristen, am Geruch nach Bratfisch und Hafen, zum Standesamt, um unsere Hochzeit anzumelden.
    Geburten, Todesfälle und Eheschließungen. Bitte ziehen Sie eine Wartemarke!
    Als ich auf den Knopf drückte, flüsterte Marc mir ins Ohr: »Aber zieh nicht die falsche Marke, Annie.«
    Wir warteten auf blauen Plastikstühlen neben einem Paar mit einem Neugeborenen, bis unsere Nummer aufgerufen wurde. Wir mussten darüber lachen, wie einfach das alles war, und wir lachten auch noch, als die Frau hinter dem Schreibtisch uns erklärte: »Sie müssen mindestens einen Monat und einen Tag lang warten, bis Sie heiraten können - das ist so Vorschrift.«
    Erst danach, als unser Aufgebot ordentlich gefaltet in meiner Handtasche steckte und wir wieder ins grelle Licht des australischen Sommers hinausgetreten waren und am Hafen entlanggingen, stellte Marc die Frage.
    »C'est tout?« Ist das alles?
    »Ja!« Ich lächelte, schob meine Hand in seine und küsste ihn fest auf die Lippen. »So einfach ist das!«
    »Aber willst du deine Familie denn nicht einladen?«
    Vor uns hielt ein Bus am Straßenrand, aus dem japanische Touristen herauskletterten. Sie versperrten uns den Weg, indem sie sich einer neben dem anderen am Geländer aufstellten, um sich vor der Hafenkulisse gegenseitig zu fotografieren.
    »Welche Familie, Marc?«, fragte ich.
    »Ta mère, non?«
    »Meine Mutter?« Seine Frage erschien mir absurd.
    Einen Monat und einen Tag später wurden wir auf dem Standesamt getraut - eine fröhliche Heidenhochzeit. Ohne meine Mutter.
    Aber eines Abends, als wir zusammen im Bett lagen, ließ Marc die Hand über meinen runden Bauch gleiten und fragte wieder: »Mais Annie, tu ne veux pas le lui dire?« Willst du es ihr nicht sagen?
    »Du verstehst das nicht«, antwortete ich und legte meine Hand fest auf seine. »Es ist anders als in deiner Familie. das Verhältnis zwischen meiner Mutter und mir ist nicht so.«
    Danach erwähnte Marc sie nie wieder - jedenfalls nicht während meiner Schwangerschaft. Daher nahm ich an, dass er mich verstanden hatte.

23
 
    A ls Marcs Vater starb, war ich dick und rund - im siebten Monat schwanger mit Charlie. Deshalb konnte ich nicht mit nach Frankreich zur Beerdigung reisen.
    Nachdem Rosa Marc angerufen und ihm erzählt hatte, dass Maurice bald sterben würde, war Marc in tiefes Schweigen verfallen, in eine Starre, die wochenlang anhielt, bis zum Tod seines Vaters. Schon bevor er gestorben war, trauerte Marc um ihn.
    Seine Schweigsamkeit, diese versteinerte, düstere Sprachlosigkeit, machte mir Angst. Natürlich hatte ich damit gerechnet, dass er bedrückt sein würde. Aber in seinem Schmerz lag so viel Finsteres. Es war mehr als bloße Traurigkeit. Marc war zornig. In den drei Jahren, die ich ihn kannte, hatte ich ihn noch nie so gesehen. ich wollte ihn gern in die Arme nehmen, ihn mit meinem Körper umschließen, mich an ihn drücken, mich in ihn hineindrücken und ihm seinen Schmerz nehmen. Immer, wenn er mich anschaute, schimmerte in seinen Augen eine Verletzung, eine offene Wunde. Seine klaren blauen Augen mit ihrem schelmischen Aufblitzen, dieser Spiegel meiner Seele, mein Glück, hatten sich in einen dunkelgrauen Tümpel aus Leid und Bitterkeit verwandelt.
    »Ich gehe ins Bett«, sagte er unvermittelt, stand vom Küchentisch auf und verschwand, ohne mich eines Blickes zu würdigen.
    Ich fand ihn dann im Dunkeln, er lag auf dem Rücken, oben auf dem Bettzeug, und starrte an die Decke, kalt und steif wie eine Leiche. Der fröhliche junge Mann, der mit mir am Strand entlanggewandert war, der aufs Meer hinausgerufen hatte: »Epouse-moi, Annie!«, als er erfuhr, dass ich schwanger war, hatte sich so in seinem Schmerz vergraben, dass ich nicht zu ihm durchdringen konnte.
    Bald war ich frustriert, frustriert über meinen aufgedunsenen Leib, der von Endorphinen, von hormoninduziertem Glück, nur so überquoll. Am liebsten hätte ich Marc von diesen Hormonen abgegeben und gesagt: »Hier, nimm, dann schläfst du besser. Sie nehmen dir den

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