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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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Tasche und den ersehnten Studienplatz bekommen, sie konnte nichts gegen Frau Holzbeisser haben. Aber wie war das mit Sarah? Obwohl es nicht zu ihren weichen Gesichtszügen passte, sagte man ihr eine gewisse Kälte nach, seitdem sie beim Babysitten ein Kind schreien gelassen hatte, um einen überlangen Film zu Ende zu sehen – eine Geschichte, die Senta Bindelang im Schreibwarenladen verbreitet hatte. Sie musste nicht wahr sein, hatte aber dazu geführt, dass Sarah bei der Babysitter-Börse nicht mehr angefordert wurde, wie Pilar von einer jungen Mutter erfahren hatte. In der Schule schlug Sarah sich mit Mühe durch und war nach zwei Ehrenrunden in derselben Stufe gelandet wie Lukas. Auch sie besuchte den Deutschkurs, den Frau Holzbeisser geleitet hatte.
    »He, datt bist du ja, Pilar!« Eine helle Stimme aus der gegenüberliegenden Häuserreihe schreckte sie aus ihren Gedanken auf.
    »Hallo, Conny«, erwiderte Pilar zögernd. Die Erinnerung daran, wie Conny mit Tempo in eine Nebenstraße vor ihr davongestürmt war, saß noch wie ein Stachel in ihrer Brust.
    Conny stand vor ihrer Tür und klopfte eine Fußmatte über der Mülltonne aus. Ihr rotbackiges Gesicht war hinter der Staubwolke kaum zu erkennen. »Du bist mir doch net bös, weil ich neulich so flöck um die Ecke war? Ich bin wie der Blitz nach Huss jerast – ich musste so eilig zum Klo!«
    Pilar lachte laut auf. Conny schien ganz die alte Herzlichkeit.
    »Ich kann mir denken, watt du jedacht hast, darum sach ich et dir. Aber wenn ich dahinterkomme, wer dich fäedichmachen will, kann der watt erlävve!«
    Mit Schwung warf sie die Matte auf den Boden. Für Pilar klang es wie ein Tusch. Connys Worte waren mehr als ein Trost, sie waren Hoffnungsfunken. Bald würde alles wieder gut werden.
    Als sie nach Hause kam, den Kopf voll neuer Überlegungen, konnte Pilar den Geruch der Fischfilets, der noch vom Vorabend im Wohnzimmer hing, kaum ertragen. Sie riss die Terrassentür auf, um frische Luft hereinzulassen.
    Schiller, fiel ihr ein, an ihn hatte sie in den letzten Stunden überhaupt nicht gedacht. Der Kater wartete sicher auf sie und wollte endlich ins Warme. Sie streckte den Kopf nach draußen, um nach ihm Ausschau zu halten.
    Was sie als Erstes wahrnahm, war der Duft von Kernseife. Die hatte sie seit ihrer Kinderzeit nicht mehr gerochen. Entweder kam es von den Nachbarn, oder es war jemand hier gewesen. Auf die Terrasse konnte jeder gelangen. Der Haken des Gartentors auf der Haustürseite war kinderleicht zu lösen, und das Tor auf der Carport-Seite brauchte man nur aufzustoßen, weil der Haken herausgebrochen war.
    »No!« , rief sie unwillkürlich.
    Sekundenlang kam es ihr vor wie eine Fata Morgana. Im trübgrauen Licht des Novembernachmittags leuchtete sonnengelb ihr Handwerkskasten.

ZEHN
    Pilar so reinzulegen war gemein, dachte Sarah, als sie auf dem Fahrradweg entlang der Reichsstraße nach Lengsdorf radelte, wo sie als Einzige aus der Gruppe wohnte. Und Pilar die Tür vor der Nase zuzuschlagen war auch nicht in Ordnung gewesen. Nein, nichts war okay gewesen, aber was hätte sie tun sollen? Wenn es wichtig war, den Kasten am Samstag nicht gesehen zu haben, damit die Weiher-Sache nicht herauskam, dann konnte sie nicht anders. Es war ja nur eine halbe Lüge. Sie hatte nicht auf den verdammten Kasten geachtet. Allerdings hatte sie etwas Gelbes leuchten gesehen, als Annas Ohrring unter den Tisch gerollt war und alle sich gebückt hatten, um ihn zu suchen.
    Das Schlimmste war, dass Pilar so ungefähr auf der richtigen Spur gewesen war. Aber warum hatte sie gleich so böse werden müssen? Sie hatte sich in eine Furie verwandelt, feindlich und kriegerisch. Früher war Pilar immer total in Ordnung gewesen. Man hatte mit ihr über alles reden können, sie hatte einen immer verstanden, fast so, als hätte sie das meiste schon selbst erlebt.
    Bis auf dieses eine Mal im August. Da hatten sie ihr nichts erzählen können, das war eine Nummer zu groß. »Habt ihr über die Ferien eure Rollen gelernt?«, hatte Pilar gefragt. Das war genau die falsche Frage gewesen. Alle hatten geschwiegen. Sie hatten an nichts anderes denken können als an den Kurfürstenweiher, und Pilar hatte natürlich gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Keiner hatte es gebacken bekommen, mit der Wahrheit herauszurücken, abgesehen davon, dass sie einander geschworen hatten, keinem Menschen davon zu erzählen. Seitdem war der Wurm drin und die Stimmung auf den Proben nie wieder so gewesen wie

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