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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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ihr Geschäft noch vollendet, wenn man den Wasserschlauch auf sie richtet. Dieses Tier würde mir Unglück bringen, das fühlte ich. Es folgte mir mit den Augen, als ich ein Stück weiterging und durch ein Fenster ins Schlafzimmer blickte, wo das Doppelbett stand. An den Nachttischen konnte ich erkennen, auf welcher Seite sie schläft.
    Ich wandte mich vom Fenster ab, um zurückzugehen, aber die grünen Augen waren unerträglich. Obwohl ich Zischlaute von mir gab und mit den Armen wedelte, blieb das Viech sitzen. Es wandte den hässlichen Kopf der Terrassentür zu, als wollte es mich verraten, sobald die Frau nach Hause käme. An der Hauswand lehnte ein Spaten, ich zögerte keinen Moment. Der Schrei ging mir durch und durch, doch war es schnell vorbei. Den Kadaver warf ich in den Pferdeputzkasten, der auf der Terrasse stand. Obwohl ich Handschuhe trug, empfand ich Ekel.
    Seltsamerweise lagen in dem Kasten weder Bürsten noch Striegel, sondern anderer Kram, darunter etwas, das ich vielleicht noch gebrauchen kann. Nadja, mir kommen Gedanken, vor denen ich mich fürchte, und sie nehmen Gestalt an. Jedes Werkzeug sehe ich mit anderen Augen. Ich habe Phantasien, die mir früher fremd waren.
    Kann ich denn auf halbem Wege stehen bleiben? Was würde aus mir? Wenn sie die Katze als Warnung begreift, ist alles ganz einfach.
    In Liebe,
    Chris

ELF
    Wie dieser schreckliche Freitag zu Ende gegangen, wie sie am Abend in tiefen Schlaf gefallen war – Pilar wusste es am nächsten Morgen nicht mehr.
    Zu fünft hatten sie in der Dämmerung um das Loch im Garten herumgestanden. Pilar hatte den kleinen Körper in ein Halbrund gebogen, sodass der Kopf die Hinterpfoten und den Schwanz berührte, als ob Schiller dort unten schliefe. Richard, der auf ihren Anruf sofort aus dem Büro gekommen war, breitete ein weißes Tuch über dem schwarzen Fell aus. Er hatte irgendwas aus dem Schrank gezogen, eine mit Stärke gesteifte Serviette mit dem gestickten Monogramm einer Urgroßmutter. Seine Mutter wäre entsetzt gewesen, Pilar aber war dankbar dafür.
    Freddy ließ die Erde in kleinen Portionen behutsam auf das Tuch gleiten, bis das Weiß vollständig unter krümeligem Braun verschwunden und das Loch aufgefüllt war. Zum Schluss sammelten Freddy, Richy, Lukas und Damian dicke Steine, legten sie rund um das kleine Grab zu einem geschlossenen Kreis zusammen, rissen Efeuranken ab, die am Zaun wucherten, und dekorierten das Ganze damit.
    Drinnen war Goethe auf seinen drei Beinen durchs Wohnzimmer gehumpelt, hatte immer wieder das Gleichgewicht verloren, verschreckt innegehalten und sich wieder aufgerappelt, um es aufs Neue zu versuchen. Mit dem Plastikkragen, der seinen Kopf wie ein Lampenschirm umgab, damit er den Verband nicht abriss, stieß er immer wieder an ein Tischbein, zuckte zurück, nahm eine andere Richtung und krachte gegen ein anderes Möbelstück. Schließlich kauerte er sich unter den Couchtisch und stieß sein heiseres »Miö« aus. Diesen Platz verließ er stundenlang um keinen Zentimeter. Pilar holte seine Trinkschale und das Katzenklo und stellte beides neben ihn. Richard und ihre Söhne rümpften die Nase und verkündeten, das Wohnzimmer in den nächsten zwei Wochen nicht mehr zu betreten.
    Heute, am Samstagmorgen, roch es hier schon ein bisschen streng. Sie musste lüften und vor allem die Katzenstreu wechseln. Der Kater hockte nun zwischen dem Heizkörper und dem Drachenbaum, auf dem er in seiner Kindheit herumgeturnt war, und blickte aus runden Augen still vor sich hin.
    Pilar öffnete die Terrassentür. Früh am Morgen war wieder Schnee gefallen, das frische Weiß blendete. Sie blickte über die Büsche und die Zäune bis zum übernächsten Grundstück der Parallelstraße. Wie mochte es dem Ehemann gehen, allein in dem großen Haus, allein mit den Gedanken an die brutale Tat? So viel sie wusste, hatten die Holzbeissers einen Sohn, der längst in einer eigenen Wohnung lebte.
    Ach? Pilar stutzte. Hell leuchtend hing über dem Geländer des Balkons das Bettzeug. Wie jeden Samstag, als wäre nichts geschehen. Als wäre das Drama nur ihr eigener böser Traum gewesen und die Lehrerin dort drüben wie üblich mit dem Haushalt beschäftigt. Zwei Bettdecken, weiß wie der Schnee und weißer als die Hauswand dahinter. Pilars erster Gedanke war: Kein Mann lüftet das Bettzeug nach alter Hausfrauenart. Sie stellte sich Richard und Freddy bei einer solchen Tätigkeit vor – unmöglich. Ihr zweiter Gedanke: Warum nicht? Vielleicht hatte

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