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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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Ich kümmere mich darum.«
    »Das ist nett. Ich fahre natürlich mit.« Pilar wandte sich zum Garderobenständer um.
    »Um Gottes willen, nein! Sie bleiben schön hier und ruhen sich aus.«
    Ihr Ton klingt noch nach Lehrerin, dachte Pilar. Aber es war ihr recht.
    »Ich packe alles in mein Auto und bringe Ihnen die Sachen. Nur noch die Runde mit Nogger, und dann geht’s los.« Frau Fischmann nickte bekräftigend.
    Pilar atmete auf. Es war alles so einfach, wenn die Leute nett waren.
    Frau Fischmann war noch nicht lange fort, als Pilar einfiel, dass auch die Kulissenteile abtransportiert werden mussten. Dies erforderte eine Ladefläche, über die Frau Fischmanns Kleinwagen nicht verfügte. Sie müsste das Familienauto nehmen. Oder Freddy könnte es fahren, das wäre die beste Lösung. Wenn er mithelfen würde, wäre der Saal bis zum Mittag geräumt und der Pfarrer zufriedengestellt. Vielleicht würde es die Stimmung zwischen ihnen verbessern, sodass sie irgendwann wieder im Gemeindehaus Theater spielen – vergiss es, Pilar! Träum nicht, das ist vorbei.
    Sie wählte Freddys Nummer.
    »Ist okay«, sagte Freddy. »Ich muss erst nachmittags zu meinem Gemüse. Wenn die Frau den Kleinkram in ihr Auto nimmt, kriegen wir alles in einem Schwung weg.«
    Es kam Pilar geradezu märchenhaft vor. Sie hatte Freunde, die ihr halfen, was wollte sie mehr? Sobald es ihr besser ging, wollte sie die beiden zum Essen einladen, um sich gebührend zu bedanken.
    Ein halbe Stunde später hörte sie die traktorähnlichen Geräusche von Freddys altem Citroen vor dem Haus. Pilar ging hinaus und gab ihm den Schlüssel für den Van.
    »Wie geht’s dir?«, fragte Freddy.
    »So lala.« Sie überlegte, wie sie die Geschehnisse der vergangenen Nacht zusammenfassen konnte, ohne ihn allzu sehr aufzuhalten. »Übrigens, heute Nacht –«
    Zu spät. Er eilte schon auf den Carport zu. Sekunden später fuhr der Van am Küchenfenster vorbei.
    Mit einem Mal befiel Pilar der Wunsch, sofort mit jemandem über den nächtlichen Vorfall zu sprechen. Sofort! Es war ein drängendes Bedürfnis, kaum anders als Hunger und Durst. Sie wählte Freddys Handynummer. Es meldete sich die Mailbox. Wer kam sonst in Frage? Sie musste jemanden finden! Vera schied aus, sie stand im Beethovengymnasium vor ihren Schülern. Mama wäre, wenn sie davon erführe, einem Herzinfarkt näher als einem Ratschlag, Isabell hielt sich in einer Rheumaklinik auf und nahm ein Moorbad oder was immer man da tat. Alle anderen, die ihr einfielen, waren fest eingebunden in die Arbeit eines Verbandes oder Institutes, einer Behörde, Praxis oder Klinik, ganz abgesehen davon, dass in Hinblick auf die vorausgegangenen Ereignisse lange Erklärungen notwendig wären, zu denen sie nicht die geringste Lust verspürte.
    Sollte sie Dirk Holzbeisser anrufen? Er hatte ihr mit den Worten »Wenn du Hilfe brauchst« seine Telefonnummer sowie die Durchwahl zu seinem Büro in einer Kölner Firma auf einen Klebezettel geschrieben. Sie konnte sich vorstellen, dass er, der selbst so Furchtbares erlebt hatte, ihr bereitwillig zuhören würde. Gleichwohl hatte sie Hemmungen, ihn bei der Arbeit zu stören, das ging zu weit, sie kannte ihn ja kaum. Vielleicht sollte sie ihn lieber überhaupt nicht anrufen und auf Distanz bleiben.
    Sie wählte schließlich seine Privatnummer. Wahrscheinlich besaß er einen Anrufbeantworter und würde sie am Nachmittag zurückrufen. Nach ein paar Freizeichen hörte Pilar, wie jemand am anderen Ende der Leitung Luft holte. Es war kein Anrufbeantworter.
    »Holzbeisser.«
    »Äm – hier ist Pilar. Wieso … bist du zu Hause?«, überbrückte sie den Moment ihrer Verwirrung. Das Du fiel ihr schwer. Und wieso hatte sie als selbstverständlich angenommen, dass er so bald nach dem gewaltsamen Tod seiner Frau wieder im Büro wäre?
    »Ich bin krank.« Holzbeisser hustete. »Erkältung.«
    »Kann ich … Nein, wenn du krank bist, geht das nicht.«
    »Wenn du rüberkommen willst, mach das ruhig. Ich liege nicht im Bett.«
    Auf Distanz bleiben, hatte sie das nicht eben noch überlegt? Doch warum sollte sie Bedenken haben? Im Moment sah sie keinen einleuchtenden Grund dafür.
    Pilar nahm ihren Mantel vom Haken und schob zuerst den linken Arm durch den Ärmel, dann den rechten. Oh, lausiger Schmerz … Immerhin kam sie ohne große Erschütterungen ihres Körpers in die Schuhe und auf die Straße. Mehrmals drehte sie sich um, ohne jemanden zu sehen. Hinter parkenden Autos und dichten Büschen konnte man

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