KR109 - Ich fuhr mit dem Tod Karussell
nickte zerstreut, ging ans Telefon und rief Mr. High an.
»Wie geht’s Al?« fragte ich zuerst. »Ich war gerade bei ihm. Er ist schon wieder bei Bewußtsein und gibt laufend mit leiser Stimme Schimpfworte übelster Art von sich. Von den Burschen, die auf euch geschossen haben, keine Spur. Ich wollte Sie deswegen mal sprechen.«
»Mr. High, ich habe alles, was ich zu sagen hatte, den Polizisten zu Protokoll gegeben. Mehr ist nicht da. Außerdem habe ich noch Urlaub.«
»Richtig. Ich vergaß.«
»Was wissen Sie über den Engländer, der verschwunden ist, Mr. High?«
»Nicht mehr als das, was in den Zeitungen steht — leider. Er heißt Sam Kerne…«
»Wie heißt der Mann?«
»S-a-m Kerne!«
»Wo kann ich seine Frau erreichen?« Verwundert gab Mr. High mir die Anschrift, dann legte ich auf.
»Wie spät ist es, Phil?«
Er sah auf seine Armbanduhr.
»Neun.«
»Los, wir werden mal Mrs. Kerne aufsuchen.«
»Die Gattin des verschwundenen Engländers?«
»Eben die.«
***
Wir bestellten ein Taxi und ließen uns zur Reparaturwerkstätte bringen, um unseren Jaguar abzuholen.
»Sie haben aber noch die Schußlöcher drin«, sagte man uns. »Das muß am Kühler und an der linken Wagentür alles verschweißt werden, abgeschliffen, gespachtelt, und dann muß der ganze Kühler und die ganze Wagentür gespritzt werden, sonst wird die Sache unregelmäßig. Das kann aber vor heute abend nicht fertig sein.«
»Ist der Wagen fahrbereit?« fragte ich.
»Ja.«
»Das genügt vollkommen.«
Wir fuhren ins Waldorf Astoria, wo Mrs. Kerne wohnte und wo auch Mr. Kerne gewohnt hatte.
»Das wird schwierig«, meinte Phil »Ich kann weinende Frauen nicht ertragen.«
Das Waldorf Astoria in New York ist einfach der Inbegriff eines Hotels.
Die Kernes schienen mächtig viel Geld zu haben.
In keinem anderen Hotel dürfte es für einen Reporter so schwierig gewesen sein, Mrs. Kerne zu belästigen.
Die Portiers ließen an diesem Tag einen Mann, der nach Presse aussah, einfach nicht hinein.
Vor dem Hauptportal stand ein ganzer Trupp dieser Jungens mit umgehängter Kamera.
Wir nahmen unsere FBI-Marken in die hohle Hand und wurden durchgelassen.
Ich verlangte an der Anmeldung ein Telefongespräch mit Mrs. Kerne.
»Mrs. Kerne nimmt keine Anrufe von Presseleuten entgegen.«
Wieder mußten die vielgeplagten FBI-Marken herhalten.
»Das ist natürlich etwas anderes, meine Herren.«
Der Portier an der Anmeldung wählte und schaltete dann ganz vornehm auf einen der Apparate um, die im Foyer neben behaglichen Klubsesseln auf kleinen Rauchtischen standen.
Auf einem der Tischchen flackerte ein gelbes Lämpchen auf.
Ich nahm den Hörer.
»Mrs. Kerne?«
»Wer spricht dort? Was wünschen Sie?«
»Mrs. Kerne, ich kann verstehen, wie Ihnen zumute ist, ich…«
»Sparen Sie sich das!«
»Ich will Ihnen helfen, Mrs. Kerne.«
»Können Sie es? Das ist wichtiger als die Tatsache, daß Sie es wollen.«
»Wenn Ihnen die Existenz eines Zehndollarscheines etwas sagt, der im linken oberen Drittel verfärbt ist und unten am Rand beschrieben ist, lassen Sie mich bitte vor. Andernfalls hat die ganze Sache ohnehin nicht viel Sinn.«
»Kommen Sie bitte!«
Ich legte auf und sah, wie gleichzeitig beim Portier ein Täfelchen erleuchtet wurde.
Der Portier winkte einem Boy, der uns zum Fahrstuhl und schließlich in die Zimmer der Mrs. Kerne brachte.
Sie konnte ihre Erregung nicht verbergen. Ich schien unwahrscheinliches Glück gehabt zu haben.
Die Möglichkeit, daß zwischen dem von einem Engländer beschriebenen Geldschein und Sam Kerne eine Verbindung bestand, war ja nicht sehr groß gewesen. Mrs. Kerne war eine sympathische junge Engländerin, blond, sehr schlank, fraulich.
Natürlich war sie sehr blaß, und natürlich sah sie im Augenblick um die Augen herum nicht gut aus.
Ich reichte ihr das Briefkuvert und sagte: »Ich habe hier den Schein aufgezeichnet. Die schraffierte Stelle soll den Fleck andeuten. Unten stehen die Worte, die auf dem Geldschein stehen.«
Sie las und sagte dann leise: »Dieser Zehndollarschein befand sich im Besitz meines Mannes. Sein Bruder schickte ihm vor Jahren diesen Schein, kurz bevor er hier in Amerika verkommen und, dem Kokain verfallen, Selbstmord beging. Sam trug den Schein seitdem ständig bei sich. Es war für ihn ein Dokument seines schlechten Gewissens. Er hatte es damals versäumt, seinem Bruder, mit dem er verfeindet war, zu helfen. Nun ist er selbst hier in diesem Land verschwunden. Ich hasse dieses
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