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Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman

Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman

Titel: Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Klaus Wagenbach
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Eltern haben sich scheiden lassen und sich vor Gericht wegen des gemeinsamen Vermögens und des Sorgerechts bekriegt. Danach wuchs Lorenzo bei seiner Großmutter auf. Die war nicht in der Lage, ihren Enkel ordentlich zu erziehen. Deshalb hat Lorenzo schon früh die Schule geschwänzt und hing mit Kriminellen herum. Wahrscheinlich wurde er von einer rivalisierenden Bande umgebracht. Wie’s eben im Chicago der dreißiger Jahre zuging oder bei der Magliana-Bande 7 in den Siebzigern.
    Die Regierung muss sich umgehend des Problems der steigenden Lebenshaltungskosten annehmen. Es kann ja wohl nicht sein, dass man die Steuern erhöht und die italienischen Bürger auspresst. Nein, man muss sich von den Hunden helfen lassen, die nichts dafür fordern und unzählige Dienste versehen, alle gratis. Wir müssen sie nur gut erziehen: dazu, Kriminelle zu stellen, alten Menschen beizustehen, deren Elektrogeräte anzuschalten und Essen zuzubereiten. Ah, ich habe noch eine überaus wichtige Sache vergessen: Hunde sind auch in der Lage, in einer Fabrik zu arbeiten, ohne große Geschichten zu machen, weil sie nie streiken und in keiner Gewerkschaft sind. Bemüht sich die Regierung etwa nicht darum, sich die Gewerkschaften vom Hals zu schaffen? Sucht sie nicht nach gefügigen Arbeitern, die man entlassen kann, ohne dass sie dann zum Arbeitsgericht rennen? Ich glaube fest an das, was Professor Antonio Marini sagt: Unser Hauptproblem ist die Unterentwicklung. Italien ist eben leider ein unzivilisiertes Land. Ich erhebe meine Stimme, um zu sagen, dass der Moment gekommen ist, alte Ideen fahren zu lassen, wie die, dass Hunde nur dazu gut sind, Wache zu halten.
    Und aufgepasst! Es gibt da eine Parallele zwischen dem Verschwinden von Amedeo und dem Verschwinden von Valentino. Ich glaube, dass Amedeo Opfer einer Entführung wurde. Die Polizei muss jetzt die Räuberbande festnehmen, die auf der Piazza Vittorio ihr Unwesen treibt. Haben sie denn noch nicht begriffen, dass es eine geheime Allianz zwischen den Sarden und den Chinesen gibt? Das nämlich ist das Ergebnis meiner umfangreichen Recherchen. Ich habe keine ausreichenden Beweise dafür, aber es gibt Verdachtsmomente, und die Indizien sind sehr beunruhigend. Sollte Valentino nicht in den nächsten Tagen gesund und wohlbehalten zurückkommen, werde ich keine Steuern mehr bezahlen. Und nicht nur das: Ich werde unverzüglich in die Schweiz auswandern und nie mehr nach Italien zurückkehren.

Vierter Wolfsgesang
    Dienstag, 23 . März, 22.48 Uhr
    Unsere Nachbarin Elisabetta ist süchtig nach zweierlei: nach Hunden und nach Krimis. Man braucht mit ihr kein Gespräch anzufangen, in dem nicht wenigstens einmal ein Hund oder Hitchcock oder Agatha Christie, Columbo oder Derrick, Montalbano oder Poirot vorkommt. Elisabetta guckt jeden Tag im Fernsehen ihre Krimiserien. Die Serie
Kommissar Rex
liebt sie abgöttisch. Darin werden die Abenteuer eines Hundes erzählt, der als Assistent eines Polizeiinspektors agiert und über außergewöhnliche Intelligenz verfügt. Er kann Dinge, die ein normaler Hund nicht kann, alle Achtung.
    Samstag, 16 . Januar, 23.28 Uhr
    Das Bellen von Elisabettas Hund ähnelt dem Gesang eines Wolfes, was mir ein kleines Glücksgefühl vermittelt. Stefania kann ihn nicht leiden. Heute Vormittag hat sie wieder mit Elisabetta gestritten und ihr damit gedroht, die Polizei zu rufen, falls ihr kleiner Hund nicht damit aufhört, mitten in der Nacht zu bellen. »Du bist eine Rassistin und Fanatikerin! Du hasst Tiere!«, unterstellte ihr Elisabetta. Stefania hat sich fürchterlich aufgeregt und mich mit unschuldigem Erstaunen gefragt: »Bin ich Rassistin und fanatisch, bloß weil ich wegen dieses ewigen nächtlichen Bellens nicht schlafen kann?« Ich antwortete: »Klar bist du fanatisch – aber nur in der Liebe!« Da lachte sie und küsste mich lang.
    Dienstag, 14. November, 22.57 Uhr
    Heute Abend warnte mich Elisabetta vor den Zigeunern, die ihr Diebesgut am Markt auf der Piazza Vittorio verkaufen. Sie sagte mir, dass Tiere in jeder Hinsicht viel zivilisierter seien als Zigeuner. Auf wortreichen Umwegen kam sie schließlich zum Punkt: »Halten Sie Ihre Tür vor diesem betrunkenen Zigeuner verschlossen, der vorgibt, Tauben zu füttern und in Wirklichkeit Drogen verkauft.« Ich begriff, dass sie den armen Parviz meinte. »Er ist kein Zigeuner, er ist Iraner«, erinnerte ich sie. Und sie antwortete im Brustton der Überzeugung: »Ist doch völlig gleichgültig, ob er Iraner oder Amerikaner

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