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Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition)

Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition)

Titel: Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad , Jannis Plastargias , C. Dewi , Gerry Stratmann
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schon seit einiger Zeit ratenweise gegen ein frischeres
Modell ein? Irgendwoher mussten doch die miesen Schwingungen kommen, die manchmal die ganze Wohnung verstrahlten.
    Unbemerkt ballten sich Dirks Fäuste, als er Getrappel und Getuschel auf dem Flur vernahm; gefolgt von einer kaum hörbar geschlossenen Tür und einem Klopfen an der Scheibe in
seinem Kreuz.
    Das abschätzige Schnauben konnte er sich nicht verkneifen, als er öffnete.
    Torbens schlechtes Gewissen hatte dessen Körperhaltung fest im Griff. Hängende Schultern, gesenktes Kinn, nutzlose Hände. Nicht einmal in die Augen schauen konnte er seinem
Heimkehrer.
    Dirk musterte den Mann im Türrahmen, und plötzlich stieg Verachtung in ihm auf. Sie hüllte sich in einen Mantel aus zornigen Eiskristallen und machte die Herzgegend schlagartig
taub. Abrupt wandte Dirk sich zur Küchenzeile und schaltete das Licht über dem Herd ein.
    „Na dann erzähl mal. Wie waren deine Tage hier, während ich mich erholt habe?“ Giftig wie Sandvipern schossen die Worte auf ihr Ziel los. Dirk trat ans Fenster und fuhr
fort: „Viel zu tun gehabt, nicht? War der Handwerker inzwischen da? Sag mir nicht, sie haben den Lehrling geschickt und du hast ihn gerade für seine Überstunden
entschädigt.“
    Immer leiser wurde seine Stimme, und schärfer. Es kam keine Antwort.
    Dirk suchte nach einem Fixpunkt, auf den er seine bitterbösen Augen richten konnte und der nicht Torben war. Im Umherschweifen blieb sein Blick an einem graugelben verschrumpelten Etwas auf
dem Fensterbrett hängen. Bei näherem Hinsehen entpuppte es sich als Salbeibusch - endgültig abgestorben.
    Der letzte Tropfen fiel in ein zum Überlaufen volles Fass. Mit einer einzigen schwungvollen Handbewegung wischte Dirk den Topf von dessen Platz. Er war viel leichter als erwartet, flog weit
in den Raum hinein, zerplatzte am Boden und verteilte staubtrockene Erde, Wurzelreste und dürre Blätter.
    „So beschäftigt warst du, hm? Nicht einmal Zeit, um die Blumen zu gießen? Ach, ich weiß es ja. Die viele, viele Arbeit im Büro. Die Präsentationen, die
Versammlungen - ich weiß es aus allererster Hand, denn ich habe ja immer hier gesessen und auf dich gewartet, bis du irgendwann heimgekommen bist. Und du bist doch aus dem Büro
gekommen, oder? Oder?“
    Während er sprach, war Dirk wieder lauter geworden, hatte sich vom Fenster wegbewegt und stand nun eine Handbreit vor Torben, der sich nach wie vor nicht regte.
    „Oder etwa nicht?“, fragte Dirk ein letztes Mal; fast gänzlich ohne Stimme.
    Fein säuberlich zerhackte die Küchenuhr mit ihrem Ticken die wortlosen Minuten.
    Schließlich drückte Torben sich an Dirk vorbei, griff zur Kehrschaufel und begann, die Überreste des Kräutertopfes zusammenzufegen.
    „Ich habe das nicht gewollt“, kam es schließlich stumpf aus seiner Richtung. „Es hat sich irgendwie verselbstständigt. Es ist jetzt vorbei“, ergänzte er,
als er eine angeschlagene Tasse aus dem Schrank nahm, den Salbeistrunk mit einem Restchen Erde hineindrückte und vorsichtig Wasser angoss. Ins Gesicht sah er Dirk erst, als es nicht mehr
anders ging.
    „Das interessiert mich nicht, und ich muss mir ernsthaft überlegen, ob ich dir überhaupt glaube.“ Viel zu schnell, als wolle er damit jede versöhnliche Tendenz
vereiteln, spuckte Dirk diesen Satz aus. „Und das Ding da kannst du wegschmeißen. Das ist hin.“ Ein knappes Kopfrucken zur zweckentfremdeten Tasse folgte. „Jetzt brauchst du
dir auch keine Mühe mehr geben. Die Investition lohnt nicht mehr.“ Diesmal entfiel eine erklärende Geste, und damit blieb unklar, worauf Dirks Statement sich bezog.
    Er ging aus der Küche, um seine Urlaubstasche zu holen.
    „Manchmal lohnt es aber, sich um verloren geglaubte Dinge zu bemühen“, sagte Torben leise zu dem kläglichen Gewächs in der Kaffeetasse. Doch da war er längst
allein in der Wohnung.
    * * *
    Dirk reagierte nicht auf Anrufe, Mails oder Textnachrichten, aber er kam nach ein paar Wochen zurück - wenn auch nicht, um zu bleiben. Als er seine Sachen aus der Wohnung räumte,
hinterließ er nichts als ein paar Bücher mit unklarem Eigentümerstatus.
    Torben fiel es schwer, seine verzweifelten Kontaktversuche aufzugeben. Nach etlichen Tagen des Trotzens und Nächten voller Gewissensbisse war er für ein paar Stunden sogar an dem
Punkt, bei Dirks Arbeitgeber nach dessen neuer Adresse zu forschen. Er unterließ den Versuch, um nicht vor unbeteiligten Dritten und sich

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