Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition)
João saß mir gegenüber. Er aß mit Genuss. Er machte wohlige Geräusche,äußerte, wie gut es ihm schmeckt. Sagte:
„Ich kann den ganzen Tag essen, habe immer Hunger.“
Er war sehr dünn. So dünn wie Tom. Ich liebte João in diesem Moment. Er lachte über mich.
Wir mussten die Zeit totschlagen, Tom sollte erst um neun Uhr abends kommen. Dann wollten wir ins Kino. Bis dahin gingen wir zunächst in den FNAC, Musik anhören. Offensichtlich hatten
wir ganz unterschiedliche Musikgeschmäcker.
Zu Pink Martini sagte er: „
It’s different.
“
Zu Stereo Totals „Wir tanzen im Viereck“: „
Crazy
.“
Und dachte dabei:
So loco wie du es bist, mein lieber Tobias
.
Später saßen wir erneut auf einer Bank, erwarteten Tom. Die beiden Jungs sangen, in verschiedenen Sprachen. Arturo trällerte ein französisches Kinderlied. Danach
„Frozen“ von Madonna. Am besten gefiel mir ein brasilianisches Lied, das beide intonierten.
Lied 7: Ilya – Bellissimo
Tom sah glücklich aus, als er auf uns zulief. Merkwürdig, dass ich das alles genießen konnte. Ich würde gleich das erste Mal mit Tom und dem Knutscher zusammen sein. Aber
ich hängte mich an João, freute mich so sehr, dass er in meiner Nähe war.
Wir liefen. Mal wieder. Suchten ein Kino. Und etwas zu essen. Für João. Es reichten ihm Chips. Arturo und ich brauchten etwas zum Trinken. Liefen von Kino zu Kino. Unser Film wurde
nirgends gezeigt. Schade.
Just walking
. In einen anderen Park, beim Temple de Debot.
Arturo hatte mir erklärt, dass er João beim Walking kennengelernt hat. Was der Euphemismus für „in Cliquen auf der Straße abhängen“ ist. Vor sechs Jahren
war das. João war ein Freundesfreund.
João setzte sich hin.
Sagte: „
Come, sit here
“, und zeigte auf einen Platz in seiner Nähe.
„
Muyto frio
“, sagte er.
„Ich kann dich ja ein bisschen wärmen“, meinte ich zu ihm. Legte meine Arme um ihn, schmuste mit ihm.
Wir redeten. Er fragte mich, ob ich in Deutschland glücklich sei.
Ich erwiderte: „Nein, mir fehlt jemand, den ich berühren kann, mit dem ich alles teilen kann.“
„Es ist schwer jemanden zu finden, der zu einem passt“, sagte er, „der eine Beziehung führen kann und will, gerade bei den Schwulen.“
„Ja, der es ernst meint“, ergänzte ich. „Es ist schwer, aber ich hatte schon eine längere Beziehung“, erklärte ich, „ich hatte Glück.“
Ich fragte ihn nach seinen Gefühlen. Er berichtete von seinem Leben in Brasilien und wie schwer es für ihn sei, einen Job in Madrid zu finden. Dass er nicht wisse, wie es weitergehen
würde. Ich setzte mich anders hin, drückte ihn noch fester. Danach liefen wir Arm in Arm durch den Park und suchten die anderen. Ich hatte Angst, sie knutschend anzutreffen. Zunächst
fanden wir sie nicht. Wir stellten uns an ein Geländer, blickten auf das nächtliche Madrid.
„
Muyto frio
“, sagte ich.
Er lachte.
Sagte: „Du musst das anders betonen, das
muyto
muss so richtig mit Ausdrucksstärke gesprochen werden, es ist doch
richtig
kalt!“
Ich probierte es. Es gelang mir, er freute sich. Ich sagte es immer wieder. Er schaute mich an: „
You’re so crazy
!“
Er blickte wieder auf Madrid, ich stand hinter ihm, umfasste ihn, legte meinen Kopf auf seine Schulter.
Ein bisschen später drehte ich ihn zu mir um, sagte: „Und manchmal trifft man auf Leute, mit denen eine Beziehung klappen könnte, die aber dann so weit entfernt
wohnen…“
Er entgegnete : „
That’s life.
“
Und dann: „Du wirst mich in Brasilien besuchen!“
Ich sagte: „Ja, ich würde das sehr gerne tun, sehr gerne.“
Wir suchten die anderen weiter, Arm in Arm, fanden sie auf einer Bank, schmusend.
Wir liefen wieder. In die Stadt. Suchten ein Café, in dem wir frischen Pfefferminz-Tee zum Aufwärmen bekommen könnten.
Menta
, sagten sie, so heißt das in Spanien.
In Brasilien:
hortelã-pimenta
.
Wir liefen weit, bis wir endlich etwas fanden. João brachte mir ein neues Wort bei.
Meeeeesmo
. Noch schlimmer als
muyto frio. Meeeeeesmo frio
. Ich sagte es immer wieder.
Meeeesmo
. Er lachte. Wir saßen in einem großen Café, nicht sehr schön, viele Touristen. Ich saß João gegenüber. Neben mir Arturo, der sehr viel
schwieg. Wir tauschten Emailadressen und Telefonnummern aus.
Um kurz nach zwölf wollte Tom nach Hause, meinte, ich könne ja mit. Ja. Die beiden brachten uns zur nächsten Metrostation. Wieder Arm in Arm. João fragte: „
How
are you?
“
Ich sagte, dass ich
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