Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition)
und zwinkerte.
Augenblicklich wurde Gregor bewusst, wie peinlich die Situation war. Gaffte er doch unverhohlen einen Fremden an – zugegeben, der sah wirklich scharf aus. Das schwarze Haar leicht mit
grauen Strähnen durchzogen, ein markantes Gesicht mit neckischem Kinnbart und obendrein leuchtend blaue Augen. Gregor murmelte einen Gruß an den etwa vierzigjährigen Kerl, drehte
sich hastig weg und rannte fast zu Markus’ Haustür. Es wunderte ihn, dass er unterwegs nicht die Glasschale mit der Knobibutter fallen ließ.
Mit zitternden Fingern drückte er den Klingelknopf, hoffte, dass der Fremde seiner Wege gegangen war. Markus öffnete schwungvoll.
„Hallo Gregor, hallo Jo - schön, dass du Zeit gefunden hast! Kommt rein.“
Gregor schluckte und bemerkte erst jetzt, dass der Fremde hinter ihn getreten war. Markus hielt auffordernd die Tür auf, Gregor schlüpfte hastig hinein. Er murmelte etwas davon, dass
die Butter in den Kühlschrank müsse, und eilte in die Küche. Dort atmete er erst einmal tief durch. Er war doch kein Teenager mehr – weshalb brachte ihn der Biker so
durcheinander? Sonst war er auch nicht gleich völlig durch den Wind, wenn er einen scharfen Kerl sah.
„Du siehst aus, als wäre dir ein Geist begegnet“, sagte Tanja ohne weitere Begrüßung zu ihm, als er die Butter ins Kühlfach packte. Sie war hereingekommen, ohne
dass er es bemerkt hatte. Etwas schien mit seinen Ohren nicht zu stimmen …
„Quatsch, alles in Ordnung“, wehrte er ab, „was macht die werdende Mama?“
„Oh, mir geht’s prima. Zum Glück ist mir nicht mehr andauernd schlecht“, erwiderte sie und rieb sich über den nicht vorhandenen Bauch. Der Zwerg darin war für
Gregor noch nicht zu erkennen. Bis der auf die Welt kam, verging ja auch noch ein halbes Jahr. Sie wussten bisher nicht einmal, was es werden würde.
„Kommst du mit raus? Sind schon ein paar Leute da.“
„Hmm, habe ich mir gedacht. Markus sagte was von zehn oder fünfzehn – daher hab ich auch genug Butter mitgebracht.“
„Du bist ein Schatz“, dankte Tanja und verzog sogleich das Gesicht. „Ich kann sie nicht essen. Seit ich schwanger bin, kann ich Knoblauch nicht mehr leiden.“
Gregor lachte. „Sag das Markus. Nicht, dass du ihn heute Nacht aus dem Schlafzimmer schmeißen musst, weil er stinkt …“
„Da ist was dran!“, erwiderte Tanja lachend und ging voran.
Gregor kam nicht umhin, im Garten direkt nach dem hübschen Fremden Ausschau zu halten. Nicht, dass er selbst schlecht aussah. Sein Alter sah man ihm nicht an, die brünetten kurzen
Haare wiesen nur an den Schläfen graue Strähnen auf. Er war weder übergewichtig, noch wurde sein Gesicht von unzähligen Falten gezeichnet. Wenn er geschätzt wurde, lagen
die Leute meist zwischen sechs und acht Jahren unter seinem wirklichen Alter.
Er hatte kaum ein paar Schritte über den Rasen getan, da kam Markus auf ihn zu.
„Hey Cousin – danke für die Knoblauchbutter. Komm, du musst Jo kennenlernen – der Kerl ist echt irre drauf!“, sprach er und zog Gregor sofort am Ärmel
mit.
Wie ein kleiner Junge stolperte er hinter seinem Cousin her, unfähig etwas zu sagen. Seine Aufmerksamkeit galt allein dem Mann, der Jo genannt wurde. Gregor verstand sich selbst nicht. Was
war denn mit ihm los? Weshalb war dieser Kerl in der Lage, seine Selbstbeherrschung ins Wanken zu bringen? Niemand in seinem Umfeld wusste, dass er auf Männer stand. Jetzt lief er Gefahr, sich
durch sein Verhalten zu verraten.
Keine fünfzehn Sekunden später standen sie vor ihm.
„Jo – das ist Gregor. Gregor – Jo“, stellte Markus sie einander vor.
„Hallo, jetzt richtig. Meine Maschine hat dich ja eben ziemlich sprachlos gemacht“, scherzte Jo und hielt Gregor die Hand hin.
Der griff zu und versuchte nicht zu zeigen, dass seine Hände zitterten.
„Hallo Jo. Ja, tolles Motorrad.“
Quer durch den Garten schallte Tanjas Rufen; sie wollte, dass Markus ihr bei etwas half. Mit einem Nicken zu den beiden Männern drehte er sich weg und ließ sie allein. Jetzt standen
sie etwas abseits des Grills.
„Wenn du willst, kannst du nachher ’ne Runde mit mir drehen“, bot Jo an.
„Ähm, ich habe überhaupt keinen Helm. Aber danke für die Einladung.“
„Markus müsste seinen noch haben, den kannst du doch sicher ausleihen“, erwiderte Jo und zwinkerte Gregor zu. „Oder hast du Angst?“
„Wovor? Vor dem Bike oder vor dir?“, setzte Gregor dagegen. Er wusste, er bewegte sich
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