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Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition)

Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition)

Titel: Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad , Jannis Plastargias , C. Dewi , Gerry Stratmann
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hatte der
Finder einen guten Grund, es mir anonym zukommen zu lassen – und gleichzeitig die Möglichkeiten, meine Anschrift herauszufinden.
    Es ist schlimm, nach all den Jahren die eigene Verzweiflung wiederzukäuen.
    Mir ist danach, die Geschichte zu Ende zu erzählen. Für mich und jeden, der eines Tages auf dieses Buch stößt. Vielleicht mein Neffe oder eine von meinen Nichten.
    In der Nacht zum 30. Juli 1975 habe ich mir nach Wochen der „Buße“ mit einem Küchenmesser die Pulsadern aufgetrennt. Glücklicherweise hatte ich keine Ahnung, wie man
dabei vorgeht, sodass ich mit dem Leben davonkam.
    Mein Suizidversuch führte endlich dazu, dass meine Eltern alarmiert wurden. Sie kamen, um mich aus dem Krankenhaus abzuholen und brachten mich nach Hause.
    Es war meine Großmutter, der ich zuerst von meiner Homosexualität erzählte – und natürlich verstieß sie mich nicht. Keiner tat das, obwohl meine Mutter
anfangs daran zu knabbern hatte. Bis heute weiß ich nicht, warum ich damals nicht mehr Vertrauen zu ihnen hatte.
    Was nachts in der Kapelle geschehen ist, habe ich keinem erzählt, und ich werde es auch nie aufschreiben. Es ist nicht mehr wichtig.
    Wichtig ist, dass ich in Berlin mein Abitur gemacht habe. Im Kreis meiner Familie, die mich nach anfänglichem Zögern in allen Belangen unterstützt hat.
    Heute, da ich viele Gleichgesinnte getroffen habe, weiß ich, wie wertvoll ihre unerschütterliche Liebe zu mir ist. Ohne sie hätte ich es nicht geschafft, das Grauen und die
Schuld hinter mir zu lassen.
    Was Gott angeht, habe ich meinen Frieden mit ihm gemacht. Ich glaube nicht mehr, dass die Priester oder auch nur die Kirche Gottes Willen verkünden.
    So ist es sicher kein Zufall, dass ich heute lächeln muss, wenn ich im Wald spazieren gehe und auf eine Ansammlung Waldmeister treffe. Er erinnert mich nicht länger an meine
Verzweiflung, sondern an meinen ersten Kuss mit Jens, an die ersten Schritte auf dem Weg zum Erwachsensein.
    Schade, dass ich ihm nie sagen konnte, dass es mir leidtut, dass ich ihn geschlagen habe. Er hatte es nicht verdient.
    Aber auch diese Schuld ist heute zwischen mir und Gott. Nicht zwischen mir und einem Priester, der die Bibel auslegt, wie es ihm gefällt.
    Am Ende will ich sagen: Ich bin richtig, wie ich bin. Denn Allmacht bedeutet auch, dass nichts ohne Grund geschieht. Und Gott, wie Albert Einstein einst so treffend bemerkte, würfelt
nicht.

Gerry Stratmann
Custom Painting mit Würze
    - Ingwer -
    Zischend stieß Rainer den Atem aus. Fast hätte er das Motiv versaut, weil sein Kumpel Jörg wütend den Pinsel durch die Werkstatt pfefferte.
    „Mensch, Alter, mach hier nicht so eine Welle, ich versuche konzentriert zu arbeiten. Was ist denn los?“
    „Musste der Kunde sich unbedingt diese aufwendigen Totenköpfe aussuchen? Du weißt, dass ich in zwei Tagen in Urlaub fliege. Bis dahin werde ich mit dem Mist niemals
fertig!“, schimpfte Jörg und blickte frustriert zu ihm herüber.
    Rainer legte die Airbrushgun zur Seite und begab sich zu Jörgs Arbeitsplatz. Sein Kollege, Freund und Mitinhaber ihrer kleinen Firma für Custom Painting hatte recht.
    In der Zeit, die Jörg zur Verfügung stand, würde es ihm nicht gelingen, den Tank und die Fender der Harley fertigzustellen.
    „Die Fender schaffst du locker bis Freitag. Um den Tank kann ich mich ab morgen kümmern. Mit den Snakes an der Kawa bin ich gleich fertig. Die Motorhauben für die beiden Autos
können ein paar Tage liegen bleiben. Deren Besitzer sind noch zwei Wochen in Urlaub. Somit kann ich den Rest deiner Arbeit übernehmen.“
    „Du hast eine ganz andere Technik als ich. Meinst du nicht, dass der Auftraggeber den Unterschied bemerkt?“ Skeptisch schaute Jörg ihn an.
    „Das glaubst du doch selbst nicht. Die Kunden haben keinen Blick für solche Kleinigkeiten, wenn sie ihre glänzenden Prachtstücke in Empfang nehmen. Lassen wir es einfach
drauf ankommen.“ Grinsend knuffte Rainer seinem zweifelnden Freund den Ellenbogen in die Rippen.
    „Auf deine Verantwortung. Allerdings war der Typ schon bei der Auftragserteilung ein ziemliches Ekel. Ich fand ihn äußerst unfreundlich und unhöflich. Weißt du noch,
wie der sich angestellt hat? Wir sollen sein Baby bloß gut behandeln?“
    Oh ja, an den Kerl konnte Rainer sich sehr gut erinnern. Als der Kunde die Werkstatt betreten hatte, wäre ihm fast die Kinnlade heruntergeklappt. Er selbst war nicht gerade klein geraten,
aber dieser Typ hatte ihn um gut

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