Kraft des Bösen
sagte Saul. »Das hat dich und deinen Freund Levi aufs Spielfeld gebracht? Vielleicht ist Mr. Harod religiös.«
Aaron war aufgeregt. Er schob die Fotos von Harod und Sutter in den Umschlag zurück und lächelte der Kellnerin zu, die kam, um ihre Kaffeetassen nachzufüllen. Das Restaurant war inzwischen fast völlig menschenleer. Als sie gegangen war, sagte Aaron erregt: »Jimmy Wayne Sutter ist hier unsere geringste Sorge, Onkel Saul. Kennst du diesen Mann?« Er deutete auf das Foto eines Mannes mit schmalem Gesicht, dunklem Haar und tiefliegenden Augen.
»Nein.«
»Nieman Trask«, sagte Aaron. »Engster Berater von Senator Kellog aus Maine. Weißt du noch? Kellog wurde letzten Sommer beinahe für das Amt des Vizepräsidenten nominiert.«
»Wirklich?« sagte Saul. »Welche Partei?«
Aaron schüttelte den Kopf. »Onkel Saul, was treibst du eigentlich ständig, daß du nicht einmal dem, was um dich herum vorgeht, Aufmerksamkeit schenken kannst?«
Saul lächelte. »Nicht viel«, sagte er. »Ich halte jede Woche drei Vorlesungen. Stehe noch als Ratgeber der Fakultät zur Verfügung, obwohl ich es nicht mehr müßte. Habe ein ausgefülltes Forschungsprogramm in der Klinik. Mein zweites Buch müßte am sechsten Januar erscheinen .«
»Schon gut .« sagte Aaron.
»Ich widme jede Woche mindestens zwölf Stunden persönlicher Beratung in der Klinik. Ich bin im Dezember zu vier Seminaren gereist, zwei davon in Europa, habe bei allen vier Vorträge gehalten .«
»Okay«, sagte Aaron.
»Letzte Woche war ungewöhnlich, weil ich nur Diskussionsleiter einer Podiumsdiskussion in der Universität war«, sagte Saul. »Normalerweise beanspruchen die Kommission des Bürgermeisters und das Staatliche Beraterkomitee mindestens zwei Abende. Und nun, Moddy, weshalb ist Mr. Trask so wichtig? Weil er ein Ratgeber von Senator Kellog ist?«
»Nicht einer«, sagte Aaron, »der Ratgeber. Man munkelt, daß Kellog nicht aufs Klo geht, ohne vorher Nieman Trask um Rat zu fragen. Außerdem hat Trask beim letzten Wahlkampf jede Menge Geldmittel für die Partei locker gemacht. Man sagt, wo er hingeht, sprudelt das Geld.«
»Toll«, sagte Saul. »Was ist mit diesem Herrn?« Er tippte auf die Stirn eines Mannes mit dem Äußeren eines überarbeiteten, geplagten Buchhalters.
»Joseph Philip Kepler«, sagte Aaron. »Die ehemalige Nummer drei in Lyndon Johnsons CIA, ehemaliger Krisenmanager des Innenministeriums und derzeit Medienberater und Kommentator von PBS.«
»Ja«, sagte Saul, »der kam mir bekannt vor. Moderiert er nicht Samstagabends eine Sendung?«
»Rapid Fire«, sagte Aaron. »Da werden Bürokraten der Regierung eingeladen und in den Schwitzkasten genommen. Der hier« - Aaron deutete auf das Foto eines kleinwüchsigen, kahlen Mannes mit finsterer Miene - »... ist Charles C. Colben, Sonderassistent des Deputy-Direktors des Federal Bureau of Investigation.«
»Interessanter Titel«, sagte Saul. »Kann alles oder nichts bedeuten.«
»In diesem Fall bedeutet er eine ganze Menge«, sagte Aaron. »Colben ist der einzige der Watergate-Verdächtigen im zweiten Glied, der keine Strafe absitzen mußte. Er war Verbindungsmann des Weißes Hauses beim FBI. Manche behaupten, er wäre der Kopf hinter Gordon Liddys Hanswürsten gewesen.
Aber statt angeklagt zu werden, wurde er noch wichtiger, nachdem sämtliche Köpfe gerollt waren.«
»Was hat das alles zu bedeuten, Moddy?«
»Einen Moment noch, Onkel Saul, den besten haben wir bis zum Schluß aufgehoben.« Aaron steckte sämtliche Fotografien weg, außer der eines schlanken, erlesen gekleideten Mannes Anfang oder Mitte Sechzig. Das graue Haar war distinguiert, die Frisur makellos. Selbst auf dem körnigen Schwarzweißabzug konnte Saul die Verbindung von Bräune und Kleidung und unterschwelligem Befehlsgebaren spüren, die nur großer Reichtum hervorbringen können.
»C. Arnold Barent«, sagte Aaron, hielt einen Moment inne und fuhr dann fort, »der >Freund von Präsidenten<. Seit Eisenhower hat jede Erste Familie mindestens einmal Ferien auf einem von Barents Verstecken gemacht. Barents Vater hat in Stahl und Eisenbahnen gemacht - bloß Millionär - ein armer Wicht, verglichen mit Barent Jr. und dessen Milliarden. Flieg über Manhattan und such dir einen Wolkenkratzer aus, einen beliebigen Wolkenkratzer, und die Chancen stehen nicht schlecht, daß eine der Firmen mit Sitz in den höchsten Etagen einer Muttergesellschaft gehört, die sich im Besitz eines Konglomerats befindet, das von
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