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Kramp, Ralf (Hrsg)

Kramp, Ralf (Hrsg)

Titel: Kramp, Ralf (Hrsg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Eifel 4
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wenig, bald mit dieser Tradition des wohlgeordneten Umgangs mit den Toten brechen zu müssen.
    Bei seiner Rückkehr hatte Gisela bereits auf ihn gewartet. Sie hatte in einem Sessel gesessen, hatte zum Fenster hinausgeschaut und sich nicht zu ihm umgedreht, sondern nur schläfrig mit der Hand gewinkt. Kurz hatte er den Eindruck gehabt, sie wolle ihn locken, auch weil sie ihr Bein über die Stuhllehne geschwungen hatte, aber dafür hatte er in diesem Augenblick keine Zeit mehr gehabt. Natascha würde bald eintreffen, und dann ... Heinzwerner war ganz kribbelig am ganzen Körper geworden, und ganz besonders in der Mitte.
    Er hatte rasch alles erledigt, was zu erledigen war und sich dann dem angenehmen Teil des Ausflugs gewidmet. Den Friseursalon hatte er erst entdeckt, nachdem er über das Werbeschild der Lottoannahmestelle gestolpert war und seinem Glück ein wenig auf die Sprünge hatte helfen wollen. Dass sich im gleichen Ladenlokal auch ein Friseur befand, überraschte ihn, kam ihm aber nicht ungelegen. Schließlich wollte er sich von seiner besten Seite präsentieren, wenn er Natascha zum ersten Mal gegenübertrat.
    Frau Näckel ließ ihn für einen Moment allein. Er betrachtete den Salon. Die 50er Jahre Atmosphäre gefiel ihm. Sie erinnerte ihn an seine Kindheit. Er war in seinem Leben noch nicht in vielen Friseurläden gewesen und wenn überhaupt, waren es Herrenfriseure gewesen. Da gab es keine langen Wartezeiten und keinen Heckmeck. Er hatte immer schon die schnelle Rein-raus-Methode vorgezogen. Fertig sein, bevor überhaupt irgendjemand etwas bemerkte, das war ihm am liebsten. Auch beim Haareschneiden. Gisela hatte das nicht so gut gefunden und hatte ihn das auch deutlich spüren lassen. Ihr konnte er es nie recht machen. Sie war nie zufrieden und meckerte. Heinzwerner überlegte, was Gisela wohl zu diesem Salon sagen würde, bis er grinsen musste, als ihm einfiel, dass sie zu nichts mehr eine Meinung entwickeln würde.
    »Haben Sie schon Pläne für Ihren Aufenthalt?« Frau Näckel tauchte den Pinsel in den Topf mit Farbe und bestrich dann behutsam eine Haarsträhne nach der anderen. Heinzwerners Mundwinkel zogen sich noch breiter, aber er biss sich gerade noch rechtzeitig auf die Lippen. Und was für Pläne er hatte. Aber das konnte er der netten Friseurin ja nicht auf die Nase binden. Also klaubte er alles das, was er bereits am Telefon von seiner Pensionswirtin erklärt bekommen hatte, zusammen und bastelte eine hübsche Wanderroute daraus.
    »Frau Holtkotte war so freundlich und hat mir einige Empfehlungen gegeben, was ich mir anschauen kann. Ich wusste gar nicht, dass sie auch Gästeführerin in Kelberg ist. Die Kapelle der schmerzhaften Mutter Gottes soll sehr schön sein. Angeblich hängen da Holzkrücken an der Wand, als Zeugen für die Heilkraft.« Das Wort
schmerzhaften
betonte er dabei besonders und amüsierte sich über seinen kleinen internen Witz.
    »Zeugen für die Heilkraft«, echote Frau Näckel, lächelte und trug einen weiteren Schwung Farbe auf. Sie nickte eifrig.
    »Und der Hochkelberg mit seinem wunderbaren Aussichtspunkt.«
    »Wunderbare Aussicht«, murmelte Frau Näckel und konzentrierte sich auf die feinen Härchen in seinem Nacken. Heinzwerner lief unter ihren Berührungen ein Schauer über den Rücken. »Wissen Sie«, fuhr er übermütig fort, »ich möchte nämlich jemandem, den ich sehr verehre, ein ganz besonderes Wochenende bereiten.« Die Kundin neben ihm rutschte unruhig in ihrem Sitz hin und her und holte tief Luft. Heinzwerner warf ihr einen schnellen Blick zu, konnte aber hinter dem milchigen Kranz der Trockenhaube und den dicken Lockenwicklern nichts erkennen. Vielleicht war die Temperatur von dem Ding zu hoch eingestellt und sie hatte ein Sauerstoffproblem? Das erinnerte ihn an die Utensilien aus Lack und Leder, die er in seinem Koffer verstaut hatte, und die er heute einzuweihen gedachte. Als er sich nicht wirklich getraut hatte, direkt in einen entsprechenden Laden zu gehen, war er schließlich im Internet fündig geworden und hatte reichlich eingekauft. Das Paket war in neutraler Verpackung bei ihm zu Hause angeliefert worden, ohne dass Gisela einen Verdacht geschöpft hatte. Der Inhalt erschien ihm etwas durcheinander, aber das war sicher während des Transportes geschehen. Jetzt hoffte er, auch die Gegenstände zum Einsatz bringen zu können, für die er bisher noch keine Verwendung gefunden hatte. Das Seil aus Seide, der Gummiknebel und die schwarze Plastiktüte

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