Krampus: Roman (German Edition)
völligen Unglaubens. Er stolperte gegen das Geländer und behielt nur mit Mühe das Schwert in der Hand.
Mit einer tänzerischen Drehung löste Krampus sich von ihm. »Wie süß Rache schmeckt. Oh, wie süß!«
Obwohl Nikolaus die Hand auf die Wunde presste, quoll das Blut zwischen seinen Fingern hervor.
Krampus sprang von einem Bein aufs andere, bäumte sich auf, grinste und kicherte.
Mit der Spitze hielt Nikolaus das Schwert auf Krampus gerichtet, während er sich langsam in Richtung des Stalltors zurückzog. Der Herr der Julzeit folgte ihm, belauerte ihn auf dem Weg über den Kampfplatz, ließ ihn jedoch zum Tor gelangen. Nikolaus versuchte verzweifelt, gleichzeitig sein Schwert in der Luft zu halten und den Riegel mit dem verletzten Arm zu öffnen.
»Wo willst du hin?«, fragte Krampus.
Nikolaus befeuchtete die Lippen. Schweiß sammelte sich auf seiner Stirn, während er den Riegel zentimeterweise beiseiteschob. »Du bist ein Tier!«, schrie er. »Nichts als ein niederer Dämon. Mehr wirst du auch niemals sein!«
Der Herr der Julzeit schnaubte und täuschte einen Angriff an. Zwar holte Nikolaus mit dem Schwert aus, doch sein ungezielter Schlag sauste bloß durch Luft. Krampus machte einen Satz nach vorne, traf seinen Gegner am Handgelenk und schlug ihm das Schwert aus der Hand. Es landete zwischen ihnen im Dreck. Nikolaus wollte danach greifen, doch da ritzte Krampus ihm mit der Speerspitze den Schenkel auf. Die sagenumwobene Klinge glitt mühelos durch Stoff und Muskelgewebe und grub sich tief in den Knochen. Krampus riss die Klinge heraus, und Nikolaus sank auf ein Knie, wobei er mit zusammengebissenen Zähnen schrie und sein Bein umklammerte. Blut lief ihm aus dem Unterarm, dem Handgelenk und dem tiefen Schnitt im Bein und färbte das gelbe Stroh rot.
Krampus trat das Schwert weg und stellte sich vor Nikolaus hin. »Es ist Zeit, dass du dir klarmachst, wer du bist.« Alles Spielerische war aus seinem Tonfall verschwunden. Er klang nun ernst. Dann drückte er seinem Gegenüber die Speerspitze an den Hals. »Wie lautet dein Name?«
Nikolaus schloss die Augen und begann zu zittern.
»Wie lautet dein Name?«
»Sankt Nikolaus«, murrte er.
Krampus trat ihn, sodass er auf die Seite fiel, dann setzte er ihm den Fuß auf den Hals und hielt ihm den Speer über den Bauch. »Nein, er lautet weder Sankt Nikolaus noch Santa Claus und auch nicht Weihnachtsmann.« Er bohrte dem am Boden Liegenden die Klinge ins Fleisch, erst einen Daumenbreit und dann noch einen. Blut sammelte sich unter der Speerspitze. »Wie lautet dein wahrer Name?«
»Sankt Nikolaus!«, schrie der andere. »Mein wahrer Name ist Sankt Nikolaus!«
Mit voller Wucht trat Krampus ihm in den Bauch. »Nein!«, brüllte er, unfähig, seinen Zorn zu verbergen. »Die Scharade ist vorbei! Du bist Baldr, jener Sohn, der seine eigenen Eltern verraten hat. Der alle Alten verraten hat. Nimm den dir zustehenden Titel an – Baldr der Dieb, Baldr der Lügner, Baldr der Verräter, Baldr der Mörder. Das bist du, das ist dein Name! Und nun wirst du ihn annehmen!«
Nikolaus öffnete die Augen und blickte wütend zu Krampus empor. Ein Ausdruck ruhiger Entschlossenheit trat auf sein Gesicht. »Nein, ich bin nicht Baldr. Er und alles, was ihn je ausmachte, sind tot. Ich bin Sankt Nikolaus. Ich diene einem Gott des Friedens und der Liebe.«
Aus zusammengekniffenen Augen starrte Krampus ihn an. »Du dienst allein dir selbst. In einer Welt aus Lügen, die deine bösen Taten verbergen sollen.«
»Wer auch immer ich einst gewesen sein mag, dieser Jemand ist tot und liegt hinter mir. Ich wurde neu geboren und habe Erlösung gefunden durch Mitgefühl und Mildtätigkeit gegen andere.«
»Nein!«, fauchte Krampus. »Nein! Nein! Nein! Was für ein widerwärtiges Gewäsch. Man kann sich nicht selbst vergeben. Man kann seine Schuld nicht einfach hinter sich lassen. Vergebung lässt sich nur von jenen erlangen, gegen die man Unrecht begangen hat. Sie allein können dich von deinen Verbrechen freisprechen. Vielleicht darfst du sie im Leben nach dem Tod, wenn sie dir tausendfach die Haut von den Knochen gerissen haben, um Vergebung anflehen. Aber nicht früher. Und nun, wenn du deinen Namen nicht annehmen willst, sollst du mich um Vergebung bitten, damit ich dich hier und jetzt zu ihnen schicke.«
»Ich bin Sankt Nikolaus. Ich verantworte mich nur vor Gott.«
Erneut bohrte Krampus die Klinge in die Brust des Liegenden und drückte sie langsam tiefer hinein, in Richtung
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