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Krampus: Roman (German Edition)

Krampus: Roman (German Edition)

Titel: Krampus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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sich wünschen. Kennst du vielleicht ein braves kleines Mädchen?«
    Strahlend deutete Abigail auf sich selbst.
    »Also gut, dann möchte ich, dass du die Augen zumachst und dir irgendein Spielzeug wünschst.«
    Abigail kniff die Augen fest zu.
    »Nicht gucken«, rief Jesse, während er hinter die Hecke eilte und die Geschenke holte.
    Misstrauisch beäugte Linda die beiden Müllbeutel, die er vor seiner Tochter abstellte.
    »Alles klar.«
    Abigail öffnete die Augen, sah die beiden Säcke und warf ihren Eltern einen fragenden Blick zu.
    »Na los«, sagte Jesse. »Mach sie auf.«
    Abigail legte ihre Puppe beiseite und öffnete einen der beiden Beutel. Dann riss sie die Augen auf. »Daddy?«, flüsterte sie und zog ihn weiter auf. Sie starrte bloß hinein, als wagte sie es nicht, sich zu bewegen oder auch nur zu atmen. Langsam holte sie erst eine Teen-Tiger-Puppe hervor, dann noch eine und noch eine, bevor sie ein ohrenbetäubendes Quietschen ausstieß. Sie klatschte in die Hände, lachte, sprang auf und ab und leerte den Inhalt der Säcke quietschend auf die Veranda.
    »Daddy!« Abigail warf sich ihm an den Hals. Jesse erwiderte die Umarmung und streckte Linda die Zunge heraus. Linda lächelte nicht, und sie sah auch kein bisschen glücklich aus. Vielmehr wirkte sie, als hätte sie ihm am liebsten einen Finger ins Auge gestochen.
    »Abigail, Schatz«, sagte Linda nur knapp. »Könntest du mir einen Gefallen tun und die Puppen mit reinnehmen? Wir wollen doch nicht, dass sie schmutzig werden.« Sie ging in die Hocke und begann, die Puppen wieder in die Säcke zu stopfen. »Hier, nimm sie einfach mit. Du kannst sie drinnen auspacken. Dann geht auch nichts verloren.« Abigail, die vor Aufregung umhertänzelte, zerrte einen der Müllbeutel ins Haus und durch den Flur. »Ich komme gleich nach«, rief Linda. »Ich muss mich nur noch kurz mit deinem Papa unterhalten. «
    Wie sie das Wort »unterhalten« aussprach, gefiel Jesse gar nicht.
    Linda stellte den zweiten Müllsack im Hausflur neben der Tür ab und zog sie zu. Dann starrte sie Jesse finster an.
    »Was hab ich denn gemacht?«
    »Das weißt du ganz genau«, blaffte sie. »Wo kommen die ganzen Spielsachen her? Hast du sie geklaut?« Sie deutete mit dem Finger auf ihn. »Welcher Vater schenkt seiner Tochter gestohlene Spielsachen zu Weihnachten?«
    Jesse hielt ihrem Blick stand. »Sie sind nicht geklaut.«
    Linda wirkte nicht gerade überzeugt.
    »Sind sie nicht«, wiederholte Jesse. »Mehr musst du nicht wissen. Warum denkt du bloß immer das Schlechteste von mir?«
    »Willst du mir etwa erzählen, dass du die gekauft hast?« Diese Vorstellung schien sie sogar noch wütender zu machen. »Du hattest also Geld und hast es dafür ausgegeben? Deine Tochter bräuchte so viel, und du kaufst ihr Spielsachen? Jesse …« Sie sprach nicht weiter, sondern schaute mit erschrockener Miene an ihm vorbei.
    Jesse drehte sich um und sah den Streifenwagen von Polizeichef Deaton heranrollen.

    ***

    Sankt Nikolaus stand auf dem Felsen und ließ den Blick über die schneebedeckte Wildnis schweifen, auf der Suche nach dem einfachsten Weg durch die hoch aufragenden Klippen. Sein scharlachroter Anzug war zerrissen und mit getrocknetem Blut bedeckt, aber es war nicht sein Blut. Ein jämmerlicher Laut drang aus den Überresten der zerfleischten Tiere hinter ihm. Eines der Rentiere lebte noch; seine Beine waren gebrochen, und die Eingeweide hingen ihm aus dem aufgerissenen Bauch. Sein Blut war über die Felsbrocken verspritzt. Es begann, zu blöken und zu schreien, und in seinem Leid klang es beinahe menschlich. Nikolaus knirschte mit den Zähnen.
    »Das Haus Lokis bringt nichts als Verderben«, zischte Sankt Nikolaus. »Krampus, ich habe dir jede erdenkliche Chance gegeben. Ich habe versucht, dir zu zeigen, was Mildtätigkeit ist, und dir den Weg zur Erlösung zu weisen, aber es war dumm von mir, dich am Leben zu lassen, denn einmal mehr hast du bewiesen, dass es unter Schlangen keine Gnade gibt.«
    Er sprang von dem Felsen und ging auf die zersplitterten Überreste des Schlittens zu. Nachdem er ein paar Bretter beiseitegeschoben hatte, fand er schließlich ein zusammengerolltes Jutebündel. Er löste die Kordel, entfaltete den Stoff und brachte ein Schwert und ein Widderhorn zum Vorschein.
    »Für den Tod meines Bruders und meiner Frau, für die Zerstörung des Hauses Odins, für meine Einkerkerung in Hel, für all die Gaunereien und Täuschungen, für all das Unglück, das dein Geschlecht

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