Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport
Arm legte. Das Glücksgefühl hielt an, bis der Arzt ihr sagte, »Ihr Sohn hat einen Klumpfuß.« Zwar wusste sie in diesem Moment nicht genau, was das ist oder was das bedeutet, aber »es klang nach nichts Gutem«, erinnert sie sich.
Am selben Tag wurde der Säugling noch bis zur Hüfte eingegipst, und wieder war sie da, diese langsame, wie ein übles Gift in ihr hochkriechende Angst. Als ihr Sohn mit vier Monaten das erste Mal operiert wurde, kamen sie wieder, zeitgleich, wie in einem Schub, »diese Dinger«, die Manuelas Geheimnis wurden. Sie traute sich nicht, irgendjemandem etwas davon zu sagen. Warum auch? Wie oft sie damals »zum Spalten« musste? »Keine Ahnung! Ich habe nicht mitgezählt. Oft und oft, immer wieder!« Häufig verletzten sie die wenig einfühlsamen Sprüche von Therapeuten: »Stellen Sie sich nicht so an! Es ist doch nur ein Abszess. Den spalten wir mal schnell.« Und so ging es Mal um Mal über die Bühne. Einmal wurde Eisspray auf die Entzündung gesprüht, ein anderes Mal wurde die Stelle örtlich betäubt, je nach Größe des Abszesses, und »zack« wurde geschnitten, gespalten. Bis zum nächsten Mal! So vergingen Jahre mit immer wiederkehrenden Abszessen, mit vielen Antibiotika-Gaben, vielen Schmerzen und der Regressangst behandelnder Ärzte.
*
2006 ging Manuela mit ihrem Dauerbegleiter Angst wieder einmal in die Klinik, und dieses Mal wurde sie unter Vollnarkose operiert. Mehrere aufgebrannte Abszessstellen am Oberschenkel schnitten die Mediziner jetzt weg und spalteten sie nicht mehr nur auf. Diese Operation eröffnete eine Phase, in der die Krankheit eine neue Qualität bekam. Jedes Mal, wenn sie nun entlassen wurde, fehlte ihr ein Stück ihres Körpers.
Manuela hat keinen Bauchnabel mehr, Dutzende Operationen an Oberschenkeln haben narbenübersäte Beine zurückgelassen, unter den Achseln befinden sich keine Lymphknoten, der Intimbereich ist komplett zerschnitten. Ihre engagierte Hausärztin stellte ihr schließlich eine Überweisung in die Hautklinik des Uniklinikums Heidelberg zur Diagnosesicherung aus. Dort wurde ihr endlich, nach all den Jahren, bei einer langen Untersuchung attestiert, dass sie an Akne inversa leidet. Sie bekam Antibiotika verschrieben und Salben verabreicht. Sie solle sich außerdem wieder vorstellen, wenn ihr Blutzucker stabiler sei, teilten ihr die Ärzte mit.
Verzweiflung machte sich breit. Zwar hatte diese Krankheit nun endlich einen Namen. Doch jetzt sollte sie zuerst einmal warten. Auf was? Manuela B. beschreibt ihre Situation so: »Kein Arzt bei uns in der Nähe konnte mit Akne inversa etwas anfangen. Ich dachte: Toll, jetzt weißt du, was du hast, und bist nicht mehr allein mit deinem Schicksal. Jetzt kann es eigentlich nur besser werden. Aber das war weit gefehlt. Wir haben Termine in den Kliniken bei uns in der Nähe vereinbart für die notwendigen Operationen. Die erste Klinik verneinte, in der zweiten Klinik sagte der Arzt, die betroffenen Stellen seien schon zu groß, um sie zu behandeln. Wir wollten schon aufgeben, aber mein Mann sagte zu mir: Lass es uns noch einmal versuchen! So traf ich zum Glück auf einen sehr guten Chirurgen im Josephsklinikum. Zum ersten Mal sprach jemand im Krankenhaus mit mir darüber, was es für mich bedeutet, an Akne inversa zu leiden. Ich hatte endlich das Gefühl, nicht wie ein Stück faulendes Fleisch behandelt zu werden.« Ich bin total berührt von dem Schicksal dieser Frau und bewundere ihre Durchhaltekraft.
»Am 30. Mai 2007«, erzählt Manuela, »war meine erste Operation am Oberschenkel rechts, am 27. September große OP der linken Achsel und am 11. November erneute Operation im Intimbereich und an Bauch und Leiste. Am 17. Dezember 2007 fand noch einmal ein Eingriff im Intimbereich und am Rippenbogen statt. Leider wurde bei mir alles genäht, obwohl bei Akne inversa eine offene Wundheilung empfohlen wird. Nach fast jeder Operation ging immer wieder die Wunde auf. Durch die Entfernung der Lymphknoten war der Transport des Lymphwassers nicht mehr gewährleistet, und ich sollte unbedingt Lymphdrainagen und Narbenbehandlungen erhalten. Zu all diesen Belastungen und den permanenten Schmerzen kam nun etwas hinzu, mit dem ich nie gerechnet hatte: der Kampf mit der Krankenkasse. Ich bekam nun ganz schnell zu spüren, um welchen Punkt es sich bei dieser Einrichtung zentral dreht: um die Kosten. Jemand war wohl aufmerksam darauf geworden, dass ich für die Kasse ein echter Verlustbringer bin und denen die schöne
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