Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport
Versorgung solle eine gewisse Eigenständigkeit für den Versicherten erzielt und somit eine vom Pflegepersonal unabhängige Teilnahme an dem in der Einrichtung wahrnehmbaren gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden. Vorliegend könne sich die Klägerin mit dem Rollstuhl nicht mehr eigenständig im Heim fortbewegen. Dies lasse erkennen, dass der beantragte Rollstuhl der Pflegeerleichterung diene. Da die Klägerin im Alten- und Pflegeheim lebe, seien die Kosten für vermehrte pflegerische Aufwendungen in den vereinbarten Pflegesätzen enthalten. Mit dem hiergegen angezeigten Widerspruch macht die Klägerin geltend, durch den Rollstuhl solle die gegebene Einschränkung der Mobilität kompensiert und eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden. Mit Hilfe des Rollstuhles könne sie an gemeinsamen Mahlzeiten teilnehmen, Fest und Feierlichkeiten ebenso. (…)«
Es handelt sich hier um keinen Einzelfall, den das Gericht so entscheidet. Was auffällt: Die Justiz formuliert, wenn auch verklausuliert, eine simple Normalität, bevor die Kasse einlenkt. Wie lange es dauert, bis solche Entscheidungen fallen, ist bekannt. Ich spüre in solchen Konflikten den Hintergedanken des Leistungsbewilligers: »Zeit ist Geld, Zuwarten zahlt sich aus, der Patient könnte ja vor der Entscheidung das Zeitliche segnen. Dann hätte man allenfalls die Gerichtskosten zu begleichen.«
Schauen Sie nicht so entrüstet, lieber Leser, liebe Leserin! Denken Sie bitte nach. Welchen Grund (außer dem genannten, wenig menschlichen) veranlasst eine Kasse, es so weit zu treiben, dass nur noch der Klageweg übrigbleibt? Nicht zu vergessen: Was ist mit all den Hilflosen, die niemand unterstützt, die keinen haben, der für sie eintritt? Abgestellt, ruhiggestellt, angeschnallt, durch die Gabe von Beruhigungsmitteln »abgeschossen« (wie Dauermedikamentierung intern heißt) – ist es das, was eine der reichsten Gesellschaften der Erde ihren alten Menschen schuldet? Früher nervten uns die Eltern mit dem Spruch »Sag, mit wem du gehst, und ich sage dir, wer du bist«. Ich möchte diesen Spruch gerne verändern und ihn in Richtung unserer deutschen Gesellschaft adressieren: Sag mir, wie du mit deinen Kindern und alten Leuten umgehst, und ich sage dir, wer du bist! Vielleicht sagen Sie: »Schlimm, aber da kann ja einer allein nichts ausrichten!« Irrtum, wir könnten, wenn wir wollten. Rechnen Sie bitte nach, wie viele Jahre Sie von einem potenziellen Aufenthalt in einem Pflegeheim entfernt sind! Und bedenken Sie: Jeder von uns kann ein solch hilfloser Fall werden! Diejenigen, die uns jetzt mit dem schillernden Appell »Kosten dämpfen« kommen, sind alle privat versichert und haben die finanziellen Mittel, sich durch Zusatzversicherungen solchen Zänkereien zu entziehen. Das sind diejenigen, die in den Talksendungen, etwa bei Anne Will, auf dem Podium sitzen und über Kassendefizite schwadronieren. Kein Einziger von diesen Leuten ist Mitglied der Solidargemeinschaft GKV . Die wirklich Betroffenen sitzen bei Frau Will hinten auf dem Sofa – mit reichlich Abstand zu den Entscheidern und Klugschwätzern, nach dem Motto »Rede nicht mit den Schmuddelkindern, allenfalls über sie!«
Es fehlt an einem Quentchen Zivilcourage und an ein bisschen Mut, laut und deutlich nein zu sagen. Wetten, wir würden diese Abzocker des Systems in die Knie zwingen, damit sie entscheiden, was wir als Kranke, Pflegebedürftige und Behinderte brauchen. Denn wir bezahlen sie alle, ausnahmslos.
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23. Amerika I
Die Freiheit, früh zu sterben
I n drei Kapiteln möchte ich mich nun intensiver den amerikanischen Zuständen zuwenden, weil sie die Matrix für jene Zustände bilden, die uns erwarten, wenn
wir alle
– wir Patienten, Ärzte, Therapeuten, Heil- und Pflegeberufler, Krankenschwestern, Apotheker, alle im Gesundheitswesen Arbeitenden –, uns nicht solidarisieren, wenn wir nicht in individuellen und kollektiven Aktionen der Sand im Getriebe sind, der die Horrormaschine zum Stehen bringt.
Ich möchte auch in der Betrachtung der US -Zustände möglichst weit nach unten gehen, dorthin, wo die Effekte einer bestimmten patientenfernen, aber wirtschaftsnahen Strategie beim Patienten als reale Verweigerung von Hilfe ankommen.
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Schwer ist Donald R. nicht gestürzt, zum Glück. Aber das Knie ist bereits dick geschwollen. Eine Sekunde hat sich der 45-Jährige auf seiner täglichen Fahrt zur Arbeit ablenken lassen. Es ist faszinierend, wenn die Strahlen
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