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Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport

Titel: Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Hartwig
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Aufgrund der höchsten je erlebten Steuerausfälle durch die jüngste Rezession – den Finanzjongleuren haben wir dies zu verdanken – müssen alle Bundesstaaten sparen. Sie haben für 2010 Kürzungen auch bei
Medicaid
angekündigt. Von Kliniken, Ärzten und Arzneimittelherstellern fordern sie Rabatte. Bei den Hilfeempfängern reduzieren sie die Einkommensgrenzen auf das gesetzliche Minimum.
    2009 hat die Obama-Regierung versucht, die Steuerausfälle der Bundesstaaten zu kompensieren. 87 Milliarden Dollar hat Washington zusätzlich für die Armenversorgung bereitgestellt. So stehen wenigstens viele Kinder Arbeitsloser nicht ohne Zugang zum Gesundheitssystem da. Immer mehr Eltern, auch aus der Mittelschicht, ereilt jedoch dieses Schicksal. Mit einer Zusatzversicherung konnten zahlreiche Entlassene, bei höherem Eigenanteil an der Versicherungsprämie – statt 200 mehr als 450 Dollar –, den Fall in das Nichts um neun Monate hinauszögern.
    Für 2010 erwarten Gesundheitsexperten, dass die Zahl der
Medicaid
-Bezieher um 4,8 Millionen Menschen wächst und weitere fünf Millionen US -Bürger ohne Versicherungsschutz dastehen. Bereits im Sommer 2009 erklärten 57 Prozent der erwachsenen US -Amerikaner mit Einkommen zwischen 27 000 und 60 000 Euro, sie oder eines ihrer Familienmitglieder hätte wegen der Kosten auf notwendige Therapien verzichtet – von der Zahn- und Arztbehandlung bis hin zu Vorsorgeuntersuchungen. Manche Patienten nehmen die Hälfte der verordneten Arzneimittel ein, um den Nachkauf der Packungen hinauszuzögern.
    Doch warum pumpen die Amerikaner Unsummen in ihr Gesundheitssystem, das sie im Krankheitsfall im Stich lässt? Und warum um alles in der Welt behaupten deutsche Gesundheitsökonomen und Gesundheitspolitiker, die US -Versorgungsmodelle seien nachahmenswert, weil sie aus einem »fragmentierten« deutschen Gesundheitswesen ein System »aus einem Guss« formen? Die frühere SPD -Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hat gern solche Bilder aus der Schwerindustrie bemüht, um die Vorzüge amerikanischer Versorgungsmodelle zu preisen. Dabei ist die Finanzierungs- und Prämienstruktur des US -Gesundheitsmarktes bereits so zerstückelt, unübersichtlich und intransparent, dass selbst Fachleuten der Durchblick fehlt. Da steckt durchaus Absicht dahinter. Wer die Puzzleteile nicht auseinanderhalten kann, verliert die Übersicht, kann das Bild aber auch nicht zusammenfügen. Eine Kontrolle versagt völlig. Und wie werden die Menschen in einem Land versorgt, das an der Spitze des medizinischen Fortschritts steht?

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24. Amerika II
    Je weniger, desto mehr
    M ediziner als
Lotse
,
Integrierte Versorgung
(alle für einen Patienten Tätigen verpflichten sich zusammenzuarbeiten), geführte Behandlung durch Leitlinien und Vorgaben (
managed care)
, Betreuung chronisch Kranker durch
Fall-Manager
, Trainer (Coaches) und
Call-Center
,
Gesundheit aus einer Hand
(ein Unternehmen versichert und betreut seine Klienten in eigenen Kliniken und ambulanten Zentren) – in den USA gibt es fast alle »modernen« Behandlungsmethoden, weil sie hier erfunden wurden. Häufig werden sie miteinander kombiniert.
    Grundsätzlich gilt: Wer den Arzt oder das Krankenhaus frei wählen will, muss höhere Prämien zahlen. Wendet sich der Kranke an Gesundheitsdienstleister, die mit dem Versicherer Verträge ausgehandelt haben, spart er Beiträge oder Zuzahlungen. Hält sich der Patient nicht an solche Vorgaben, steigt sein Eigenanteil. Das Versicherungsunternehmen profitiert durch Rabatte, die ihm Ärzte und Kliniken einräumen. Drei von fünf über den Arbeitgeber Versicherte befinden sich in solch einem System. Jeder Fünfte schreibt sich bei einem Unternehmen ein, das verspricht, die Gesundheit des Versicherten zu erhalten ( = Health Maintenance Organisation = HMO ). Doch ist der Name auch Programm?
    Ein legendäres Gesetz hat einst einem Unternehmer den Weg geebnet, die Menschen zu versichern und zugleich ihre gesundheitliche Versorgung zu organisieren. Wie sich Ex-Präsident Richard Nixon von dem Konzept überzeugen ließ, gibt ein Gesprächsprotokoll aus dem Jahr 1973 wieder. Darin versucht Präsidentenberater John Ehrlichman seinen Chef von der Firmenidee Edgar Kaisers – damals Vorstandschef der Firma Kaiser Permanente – zu überzeugen. Vizepräsident Gerald Ford, zuvor mit dem Ansinnen befasst, HMO s ( = Health Management Organizations) in die Gesetzgebung aufzunehmen, sieht dafür keine Notwendigkeit. Also soll

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