Krank in Deutschland. Ein Tatsachenreport
Die Bundessteuerbehörde akzeptiert zudem, dass nur 51 Prozent der Tätigkeit ohne Gewinnabsicht vonstattengehen. Die KP -Stiftungen »Gesundheitsplan« und »Krankenhäuser« haben ihren Gewinn 2009 – in einem der schwersten Rezessionsjahre in der US -Wirtschaftsgeschichte – um satte 90 Prozent auf 2,1 Milliarden Dollar gesteigert. Gleichzeitig expandiert die Gesellschaft, investiert rund 2,6 Milliarden Dollar und eröffnet vier Krankenhäuser und 17 Versorgungszentren. Im Jahr zuvor musste die Gesellschaft einen Verlust von knapp 800 Millionen Dollar hinnehmen, konnte aber in früheren Jahren auf stattliche Nettogewinne zurückblicken. Beispiel: 2003, der Wirtschaftseinbruch zu Beginn dieses Jahrhunderts ist gerade vorbei, da erzielen die KP -Stiftungen 10,8 Millionen Dollar Reingewinn. Auf Hawaii verlangt das Unternehmen dennoch 14,5 Prozent höhere Prämien von seinen Versicherten. Die Kontrollbehörde genehmigt schließlich eine 11,5-prozentige Steigerung. KP -Mitglieder sind empört. Ein Anwalt beschwert sich mit allem Nachdruck beim zuständigen Versicherungsamt des Bundesstaates, schließlich operiert KP auf der Pazifikinsel in öffentlichem Auftrag. Seine Intervention hilft nichts. Innerhalb von zwei Jahren steigen auf Hawaii die Versicherungsprämien um 20 Prozent.
Im Wirtschaftskrisenjahr 2009 hat an dieser Schraube offenbar niemand zu drehen gewagt. Dass KP seinen Ertrag dennoch auf 3,6 Prozent des Umsatzes steigern konnte, erstaunt besonders, weil der Versicherer binnen Jahresfrist 64 000 Mitglieder eingebüßt hat. Haben da nur kostspielige Patienten ihren Versicherungsschutz verloren? Wohl kaum. Vor allem Arbeitnehmer sind betroffen, weil sie entweder entlassen wurden oder sich ihr Arbeitgeber aus ökonomischen Gründen außerstande sah, Mitarbeitern Gesundheitsschutz anzubieten. Die öffentliche Hand hat hingegen ihre finanziellen Hilfsleistungen massiv aufgestockt, damit ärmere Familien, Kinder, Unterversicherter und Rentner weiterhin halbwegs abgesichert sind. Nur, wer diese Gelder abschöpft, statt sie für Behandlung der Patienten auszugeben, kann bei geringeren Einnahmen und steigenden Betriebsausgaben höhere Erlöse einfahren. Diese Milliarden, mit denen KP nicht nur seinen Wert als Unternehmen steigert, sondern auch seine Marktstellung ausbaut, stammen letztlich stets von den Bürgern, auch wenn die Organisation Einnahmen aus angelegtem Kapital erzielt.
Doch dies ist nur ein Geldquell, wenn auch ein unversiegbarer. Denn eine noch größere soziale Schieflage kann sich auch die Politik in den USA nicht leisten, der Demokrat Obama schon gar nicht.
Den großen Gewinn werfen jedoch nicht die Stiftungen, sondern die Permanente Medical Groups ab. Da sind sich unabhängige Beobachter und Kritiker absolut sicher. Die Angestellten – Ärzte, Pfleger, Krankenschwestern und Therapeuten – profitieren allerdings nicht alle davon, sondern vor allem KP als Eigentümer der Versorgungszentren. Beobachter vermuten, dass sich die Organisation und das jeweilige Management die Erlöse brüderlich teilen. Was dort nach Abzug der Betriebs- und Personalkosten übrig bleibt, hält das Unternehmen allerdings tunlichst und ganz streng unter Verschluss. »Permanente« heißen die Profitcenter übrigens nach einem Flüsschen, das durch Los Altos fließt, eine Stadt bei San Francisco. Dort gewann Henry Kaiser Rohmaterial für die Zementproduktion. Der schwerreiche Industrielle gründete zusammen mit einem Arzt in den 1930er Jahren eine Klinik. Er brauchte Tausende gesunde Arbeiter, die für ihn und im Staatsauftrag einen großen Staudamm bauten.
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Und wie funktioniert die Geschäftsidee im Alltag? Kaiser Permanente dreht an allen Stellschrauben der Versorgung. Seinen normalen Ärzten zahlt das Unternehmen monatlich mindestens 25 000 Dollar (16 800 Euro). Treten sie in den Ruhestand, winkt ihnen eine Rente von 15 000 Dollar (10 000 Euro) im Monat. Sie müssen sich im Gegenzug verpflichten, das Edgar-Kaiser-Prinzip umzusetzen. Und nur über ein ausgeklügeltes System landet der Verdienst auch auf den Konten der Ärzte. Den Pensionsfonds soll die Organisation auf den Cayman-Inseln, einer Steueroase in der Karibik, langfristig angelegt haben – bei der dortigen Deutschen-Bank-Zweigstelle.
Das Absichern des Ruhestands ist nur ein Mittel, die Mediziner fest an- und einzubinden. Um sie auf Linie zu trimmen, hat sich die Gesellschaft einiges einfallen lassen. Die Mediziner sind keine üblichen Arbeitnehmer wie
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