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Kratzer im Lack

Kratzer im Lack

Titel: Kratzer im Lack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Pressler
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was sie angestellt haben. Da waren noch andere Sachen. Und Ihr Ludwig soll auch dabei gewesen sein.«
    Theo hat Ludwig angeschaut, dann sie, dann wieder Ludwig. »Du Nichtsnutz«, hat er gesagt und ausgeholt.
    Sie ist aufgesprungen. »Ludwig, wenn ich das gewusst hätte. Warum hast du mir nichts davon erzählt? Früher, rechtzeitig. Vielleicht hätte ich dich abhalten können, besser auf dich aufpassen. Du bist doch nicht schuld, Ludwig, bestimmt nicht. Du bist doch nur in schlechte Gesellschaft geraten. Sag, dass es nur die schlechte Gesellschaft war.«
    Ludwig hat nichts gesagt. Er hat vor ihr gesessen am Küchentisch, starr hat er geradeaus geschaut. Seine Backe war noch rot von Theos Ohrfeige. Still und ohne sich zu wehren, hatte er auch den Schlag hingenommen.
    Theo hat am Tisch gestanden, die Hände zu Fäusten geballt, kaum atmen konnte er, sein Kopf war so rot, dass sie dachte, er bekommt gleich einen Schlaganfall.
    »Herr Kronawitter«, hat der Polizist gesagt, der Schmid Mani, den sie schon als Kind gekannt hatten. »Herr Kronawitter, regen Sie sich doch nicht so auf. Jungen machen mal eine Dummheit. Deshalb müssen sie doch nicht schlecht sein, noch lange nicht.«
    Aber Theo ist wieder auf Ludwig losgegangen und hat mit den Fäusten auf ihn eingeschlagen. Der Polizist hat ihn zurückgehalten. »Machen Sie sich doch nicht unglücklich, Herr Kronawitter.«
    Dann ist er mit Ludwig weggegangen, nicht mit Handschellen, einfach so. »Nur ein Verhör. Er kommt bald wieder. Ich bringe ihn heim, bestimmt. Jungenstreiche sind das, ja, das ist es, Jungenstreiche. Für den Wiedemann Karl ist das viel schlimmer, der ist schon fünfzehn. Aber Ihr Ludwig ist doch erst dreizehn. Und das wird schon alles wieder, Sie werden sehen.«
    Sie sind allein zurückgeblieben, sie und Theo, und haben nicht gewusst, wie sie darüber reden sollten, welche Worte sie benutzen könnten, um das auszudrücken, was sie dachten.
    »Dass er meinen Namen in den Dreck zieht«, hat Theo gebrüllt. »Dass er sich nicht schämt.«
    »Aber er ist doch noch so jung«, hat sie versucht einzulenken. »Auch der Schmid Mani hat das gesagt. Er ist doch erst dreizehn. Der Wiedemann Karl war der Anführer. Die von der Polizei wissen das doch.«
    Aber dann ist sie still geworden. Er ist mein Sohn, hat sie gedacht. Meiner.
    Und Theo, der kaum jemals laut geworden ist, der sonst die Kinder nie geschlagen hat, hat seinen Hut genommen, den Trachtenhut mit Gamsbart und Eichelhäherfeder, und ist weggegangen. Er hat sie stehen lassen ohne Antwort, ohne Beruhigung, ohne die Versicherung, dass sie seine Frau war und Ludwig sein Sohn.
    In diesem Moment ist sie bereit gewesen zu gehen, kurze Zeit ist sie wirklich bereit gewesen dazu, den Mann zu verlassen und mit Ludwig ein neues Leben anzufangen, irgendwo. Sie hat ihre Sachen gepackt, nur ein paar Kleider für sich und den Jungen, nicht viel, nur das Nötigste. Dann hat sie sich an den Tisch gesetzt und auf Ludwig gewartet. Sie hat die Arme auf den Tisch gelegt, hat die Finger über die Tischplatte gleiten lassen, die Kerben und Löcher gespürt, die die Holzplatte im Lauf der Jahre bekommen hatte, Narben und Zeichen von unzähligen Mahlzeiten. An diesem Tisch haben die Kinder immer gesessen und Hausaufgaben gemacht, an diesem Tisch haben sie gespielt und gemalt, alles in dieser Küche, an diesem Tisch.
    Frau Kronawitter hat ihren Kopf auf die Arme gelegt und geweint. Und auf einmal hat sie gewusst, dass es für alles zu spät war. Früher hätte sie weggehen sollen, damals, als Theo aus der Gefangenschaft gekommen war und nachgerechnet hat. Damals war sie noch jung genug, damals hätte sie noch die Kraft gehabt, irgendwo neu anzufangen, irgendetwas, sie hat immer arbeiten können, sie hätte ihre Kinder schon großbekommen. Aber damals hat sie sich nicht getraut. Jetzt war es zu spät.
    Sie hat sich an Theos Gesicht erinnert, wie er vorher auf Ludwig losgegangen war, hat in diesem Gesicht den Hass gesehen, jahrelang unterdrückten Hass, und hat gewusst, dass sie an allem schuld war.
    Sie hat die Sachen wieder ausgepackt. Leer geweint und müde ist sie gewesen, als Theo wiedergekommen ist. Er hat seinen Hut an den Haken gehängt, den Hut mit Gamsbart, den sie dann zwei Wochen später heimlich in die Mülltonne geworfen hat, und ist in die Küche gekommen.
    »Er kommt zu meinem Bruder nach Hergenried«, hat er gesagt und gar nicht darauf reagiert, dass sie geweint hat. »Dort wird er anders hergenommen als hier. Dort

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